persönlich zufriedenstellen und dadurch Erfolg versprechen. Jede*r kann – oder besser gesagt: sollte – ihre oder seine eigene Karriere machen. Und die beginnt im Kopf beim Verständnis von Karriere. Weil die Frage oft an uns gerichtet wird und es uns besonders wichtig ist, Karriere anders, nämlich frei von jeder Bewertung, individuell zu betrachten, habe ich dazu einen Blogbeitrag verfasst (S. 22). Johann: Fast alles ist für jede*n möglich – die Frage ist nur, zu welchem Preis: Wenn wir jemandem empfehlen, kein*e Notfallchirurg*in zu werden, sondern lieber Anästhesist*in, kann sie oder er das natürlich trotzdem machen und auch erfolgreich sein. Die Wahrscheinlichkeit ist nur sehr groß, dass sie oder er dafür eine höhere Anpassungsleistung erbrin- gen muss, also häufiger an den eigenen Entwicklungsfeldern arbeitet statt in den Stärken. Wo liegen die Herausforderungen, wenn ihr in Unternehmen beratet? Ragnhild: Es wenden sich die unterschiedlichsten Unter- nehmen an uns. Das Spektrum reicht vom international agierenden Konzern über das Familienunternehmen bis hin zum Start-up. Sich in das konkrete Setting hineinzudenken, die Struk turen und Beziehungen zu verstehen, stellt die erste Herausforderung für uns dar. Genauso divers wie unsere Unternehmens-Kunden sind ihre Anliegen. Ob wir Führungs- kräfte schulen, beim Teambuilding unterstützen oder in der Familie nach einer passenden Nachfolgerin oder einem passen- den Nachfolger suchen: Keine Aufgabe, kein Angebot ist wie das andere. Es gibt nicht das Standard-Produkt von uns, son- dern für jede*n eine spezielle Lösung. Das macht es aber auch so reizvoll für uns. Johann: Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus dem klassischen Dreiecksvertrag. Meist sind es die Inhaber*innen, Gründer*innen oder Personaler*innen, die eine Leistung bei uns beauftragen – nicht diejenigen, die dann selbst daran teilnehmen sollen oder dürfen. Das heißt, bevor wir mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern ins Tun kommen können, müssen wir uns mit allen auf eine gemeinsame Zielsetzung einigen. Veränderung bedarf einer intrinsischen Motivation – und keiner oktroyierten HR-Maßnahme. » Das, was uns triggert, korrespondiert in der Regel mit einer inneren Entwicklungschance. « Wer sind eure Vorbilder? Johann: Unserem Verständnis nach sind Vorbilder Menschen, die uns ansprechen, weil sie uns mit unserem eigenen – oft ungelebten – Potenzial in Kontakt bringen. Das muss nicht immer nur positiv sein, manchmal ärgern wir uns auch über Menschen, die im Grunde genommen eigene nicht realisierte Talente spiegeln. Wir regen unsere Klientinnen und Klienten immer dazu an, sich selbst zu fragen, wer sie aus welchen Gründen beeindruckt. Das, was uns triggert, korres- pondiert in der Regel mit einer inneren Entwicklungschance. Wenn ich zum Beispiel jemand bin, die oder der sich in ihrer oder seiner Meinung zurückhält, es eher anderen recht macht als sich selbst und nie auf den eigenen Vorteil bedacht ist, kann es sehr gut sein, dass mich besonders die Menschen triggern, die genau das ausleben, was ich ausspare. Diese „Vorbilder“ halten mir den Spiegel vor und fordern mich heraus, darüber nachzudenken, auf welche Anteile ich neidisch bin, welche mir vielleicht abgewöhnt oder aberzogen wurden. Das sind dann unterdrückte Anteile, die sich auf der Ebene der Potenzialent- wicklung eigentlich entfalten möchten. Ragnhild: Es ist auch eine schöne Übung, sich zu fragen: Was finde ich toll an den Menschen um mich herum oder auch an bekannten Persönlichkeiten? Dieser positive Fokus ist eine Brücke zum eigenen Potenzial. Das, was mich an ande- ren Menschen, aber auch zum Beispiel an Protagonistinnen und Protagonisten in Filmen oder Romanen berührt, das sind Erinnerungen an die eigene Heldenreise, an die eigene Ent- wicklung, den eigenen Lebensweg, mit den Chancen und Poten- zialen, die in jeder Einzelnen oder jedem Einzelnen ruhen. Ich persönlich habe nicht ein oder zwei Vorbilder, sondern ein Kabinett an Anteilen, die ich an anderen schätze und selbst versuche zu leben. 11