6 Mythen rund ums Studium
von Amke Kannegieter
In meinen Beratungen beschäftige ich mich täglich mit Studiengängen, Berufen und Karrieremöglichkeiten – und finde gemeinsam mit meinen Klienten heraus, was am besten zu ihnen passt. Dabei begegne ich immer wieder Klischees und Missverständnissen, die sich bei angehenden Studenten verankert haben: Mit Wartesemestern verbessert sich der Notendurchschnitt? Und ohne das klassische Abitur hat man keine Chancen auf ein Studium? Mit diesen und weiteren Mythen möchte ich in diesem Beitrag aufräumen.
1. „Mein NC liegt bei 2,0 – für BWL an meiner Lieblings-Uni braucht man aber eine 1,8.“
Hier verstecken sich gleich zwei kleine, weit verbreitete Irrtümer:
Erstens: „Meinen NC“ gibt es nicht. Diese Formulierung wird zwar umgangssprachlich von vielen Abiturienten gebraucht – was sie hiermit aber eigentlich meinen, ist ihre Abiturdurchschnittsnote.
Zweitens: Bei welcher Note die Zulassungsgrenze für einen bestimmten Studiengang liegt, lässt sich während des Bewerbungsprozesses noch nicht genau sagen. Diese Annahme beruht auf einem zweiten „NC-Mythos“. Tatsächlich ist der NC (Numerus Clausus) keine vorab definierte Mindestnote für die Zulassung zu einem bestimmten Studium. Im Vorhinein legt eine Hochschule lediglich fest, wie viele Studienplätze für ein bestimmtes Fach zur Verfügung gestellt werden. Übersteigt die Anzahl der Bewerbungen diese Zahl, werden die verfügbaren Plätze unter allen Bewerbern an diejenigen mit den besten Abiturdurchschnittsnoten verteilt. Die schlechteste Abiturnote unter allen zugelassenen Bewerbern markiert dann den NC für das aktuelle Semester.
Vereinfachtes Beispiel: Angenommen, an einer Universität gibt es im Sommersemester 2019 200 Studienplätze für BWL und 300 Bewerber. Die 200 Bewerber mit den besten Noten werden zugelassen. An der 200. Stelle steht ein Bewerber mit der Abschlussnote 1,8. In diesem Fall ergibt sich ein NC von 1,8. Im Wintersemester 2019/2020 gibt es dann erneut 200 Studienplätze für BWL, aber nur 280 Bewerber. Außerdem hat sich die Anzahl der Bewerber mit sehr guten Abiturnoten deutlich verringert. An der 200. Stelle steht dadurch nun ein Bewerber mit der Abschlussnote 2,3 – der NC ist somit um 0,5 Punkte gesunken.
Was dieses Beispiel zeigt: Die NC-Werte aus den letzten Semestern sind zwar nützliche Anhaltspunkte, sie sollten Sie aber auf keinen Fall davon abhalten, sich für ein Studium zu bewerben. Schließlich kennen Sie nicht die Durchschnittsnoten ihrer Mitbewerber im aktuellen Bewerbungsverfahren und können somit nicht wissen, wie Ihre Chancen stehen.
2. „Mit Wartesemestern verbessert sich meine Abiturnote.“
Diesen Satz höre ich in meinen Studienberatungen besonders oft. Und jedes Mal bin ich erstaunt, wie fest diese Annahme bei vielen angehenden Studenten verankert ist. So schön es für viele auch wäre – ganz richtig ist sie leider nicht. Egal, wie viele Wartesemester Sie gesammelt haben: Ihre Abiturnote verändert sich dadurch nicht.
Tatsächlich können sich Bewerber aber durch die Wartezeit für ein Studium qualifizieren, denn neben der Abiturnote (und einigen weiteren Kriterien) spielt auch diese bei den meisten zulassungsbeschränkten Studiengängen eine Rolle im Zulassungsprozess. In der Regel wird ein Anteil von etwa 10-20 % der Studienplätze über die Wartezeitquote vergeben. Das bedeutet: Wer zwar nicht zu den Bewerbern mit den besten Abiturnoten zählt, aber bereits einige Semester Wartezeit mitbringt, rutscht gewissermaßen in ein gesondertes Zulassungsverfahren, bei dem die Wartezeit das vorrangige Kriterium darstellt. Bewerber haben somit auch mit einem schlechteren Notendurchschnitt als dem geforderten Numerus Clausus Chancen auf einen Studienplatz. Aber Achtung: Als Wartezeit zählen nur die Zeiten, in denen Sie nicht an einer deutschen Hochschule eingeschrieben waren.
3. „Ein hoher NC bedeutet, dass das Studium besonders anspruchsvoll ist.“
Ein Medizinstudium an der Uni Hamburg mit einem NC von 1,0 ist besonders anspruchsvoll und ein Lehramtsstudium an der Uni Koblenz-Landau mit einem NC von 3,0 meistert jeder mit links? So einfach ist es nicht – dass der NC etwas über die Schwierigkeit eines Studiums aussagt, ist ein weiterer Mythos. Wie bereits unter 1. erläutert, entspricht der NC immer der Abiturnote des Bewerbers, der aufgrund seiner Note als letztes für das Studium zugelassen wurde. Er ergibt sich damit aus der Anzahl der Bewerber, den verfügbaren Studienplätzen und den Noten der Bewerber. So kommt der sehr hohe NC für Medizin an den meisten deutschen Hochschulen zum Beispiel dadurch zustande, dass sich auf etwa 9.000 verfügbare Studienplätze pro Semester rund 44.000 Menschen bewerben.
Häufig unterscheidet sich der NC auch innerhalb eines Studienfaches. Je nach Hochschule oder Ort kann der NC für Erziehungswissenschaften beispielsweise bei 1,2 oder auch bei 2,8 liegen. Je beliebter eine Uni ist, desto mehr Bewerber gibt es und desto höher ist somit die Konkurrenz. Dies zeigt einmal mehr, dass der NC selbst keinerlei Aussagekraft bezüglich des Anspruchs eines Studiums besitzt.
4. „Man kann nur mit Abitur studieren.“
Wer diesen Mythos kennt, kann sich freuen – denn wie ein altes Sprichwort sagt: „Viele Wege führen nach Rom.“ Tatsächlich qualifiziert nicht nur das allgemeine Abitur für ein Studium, sondern auch die Fachhochschulreife. Und diese erreicht man auch ohne die klassischen 12, beziehungsweise 13 Schuljahre auf dem Gymnasium. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, nach der elften Klasse von der Schule abzugehen, anschließend ein einjähriges Praktikum oder ein FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) zu absolvieren und damit die allgemeine Fachhochschulreife zu erlangen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, statt der Oberstufe am klassischen Gymnasium eine Fachoberschule oder ein Berufsgymnasium zu besuchen. Dort kann man einen fachlichen Schwerpunkt wählen, zum Beispiel in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Wirtschaft oder Technik, und anschließend ein passendes Studium beginnen. Auch Real- oder Hauptschulabsolventen, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, steht ein Studium in einer entsprechenden Fachrichtung an Fachhochschulen offen.
Einige Bundesländer haben mittlerweile sogar entschieden, nicht nur an Fachhochschulen, sondern auch an Universitäten Bewerber mit Fachhochschulreife zuzulassen – zum Beispiel Niedersachsen, Brandenburg und Hessen. Hier können Universitäten frei entscheiden, ob sie Bewerber mit Fachhochschulreife für bestimmte Studiengänge zulassen. So kann man sich an der Universität Hildesheim beispielsweise mit der Fachhochschulreife für Grundschullehramt bewerben und an der TU Darmstadt kann man Informatik auch ohne Abitur studieren.
5. „Studium? Nur in Hamburg oder Köln. Die Unis im Osten können da nicht mithalten!“
Leider stehen die neuen Bundesländer noch immer recht weit unten auf der Beliebtheitsskala junger Erwachsener. Während Großstädte wie Hamburg, Köln oder München für viele Freiheit, Möglichkeiten und Spaß suggerieren und von Studenten regelrecht überlaufen werden, sind ostdeutsche Studienstädte oft allenfalls ein Notfallplan. Dabei haben sich dort viele Hochschulen in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt und viel investiert. So bietet ein Studium in dieser Region, zum Beispiel an der Uni Leipzig, oftmals eine besonders gute Betreuung, moderne Ausstattung und nicht zuletzt günstige Lebensbedingungen. Ein Blick über den Tellerrand, um auch andere Städte und Hochschulen beim Bewerbungsprozess in Betracht zu ziehen, lohnt sich also!
6. „Private Hochschulen sind die besten!“ vs. „An privaten Hochschulen ist der Abschluss erkauft!“
Es gibt eine ganze Reihe an (Vor-)Urteilen über private Hochschulen, die unter (angehenden) Studenten kursieren. Während die einen meinen, keine staatliche Hochschule könne fachlich und den Ruf betreffend mit ihnen mithalten, verurteilen andere sie als elitär und unterdurchschnittlich anspruchsvoll. Bei beiden Annahmen handelt es sich jedoch vielmehr um Mythen als um Fakten.
Zunächst lassen sich natürlich nicht alle privaten Hochschulen über einen Kamm scheren: Wie bei staatlichen Universitäten auch, gibt es hier zum Teil große Unterschiede zwischen den individuellen Einrichtungen. Einige haben ein besseres, andere ein weniger gutes Renommee, die einen verfügen über ein besonders gutes Netzwerk in der freien Wirtschaft, die anderen bieten stattdessen ein umfangreiches Betreuungsangebot für die Studenten. Auch was den Anspruch der Studienfächer betrifft, lässt sich hier keine allgemeingültige Aussage treffen.
Angehende Studenten sollten bei ihren Bewerbungen daher nicht pauschal nach „privat“ und „nicht-privat“ unterscheiden und urteilen, sondern ihre individuellen Bedürfnisse unter die Lupe nehmen und anhand von Ratings, Infomaterial, Erfahrungsberichten anderer Studenten und den konkreten Studieninhalten abwägen, welches Hochschulangebot am besten zu ihnen passt.
Die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit bildet eine Lebensführung in Übereinstimmung mit Ihrer Persönlichkeit. Sie zu kennen, ist der erste Schritt. Mit unserem kostenfreien Schnuppertest bieten wir Ihnen die Möglichkeit, ihn zu gehen und einen ersten Einblick in Ihr Inneres zu erhalten.
24.01.2019