A, B oder C? Wie wir gute Entscheidungen treffen können
von Ragnhild Struss
Ob es um ein verlockendes Jobangebot, eine potenziell neue Beziehung oder andere große Entscheidungen geht: Viele Menschen setzen sich – nicht nur bei großen, sondern auch alltäglichen Entscheidungen – selbst so stark unter Druck, die richtige Wahl zu treffen, dass es ihnen schwerfällt, überhaupt einen Entschluss zu fällen. Was gute Entscheidungen ausmacht und worauf verschiedene Charaktere dabei achten sollten, erläutert Ragnhild Struss.
Welche Krawatte passt zu diesem Anzug? Nehme ich einen Milchkaffee oder einen Cappuccino to go? Und was will ich eigentlich heute Abend essen? Laut Hirnforschern trifft jeder von uns etwa 20.000 Entscheidungen pro Tag! Das kostet mentale Kapazität und laugt uns mit der Zeit aus, was man auch als “decision fatigue” (Entscheidungsmüdigkeit) bezeichnet. Die Entscheidungsfähigkeit nimmt im Laufe des Tages ab. Jeder, der schon einmal versucht hat, mit dem Rauchen aufzuhören oder ein paar Kilo zu verlieren, kennt den Kampf mit der Versuchung in den Abendstunden. Wir können uns im Alltag selbst viel Last abnehmen, wenn wir die Anzahl unserer neu zu treffenden Entscheidungen reduzieren, indem wir Gewohnheiten etablieren und zum Beispiel immer das Gleiche frühstücken oder feste Termine fürs Fitnessstudio und andere Hobbys einplanen. Es fällt uns leichter, ein Vorhaben durchzuziehen, wenn wir fixe Routinen für dessen Umsetzung aufbauen und uns selbst nicht jedes Mal erneut vor die Wahl stellen, ob wir beispielsweise als Nachmittagssnack einen Apfel oder ein Stück Kuchen essen wollen.
In Bereichen, in denen wir bereits über viel Wissen und Erfahrung verfügen, sowie bei kleineren Entscheidungen, ist es sinnvoll, seiner eigenen Intuition zu vertrauen. Denn in solchen Fällen treffen wir damit oft bessere Entscheidungen, als wenn wir Dinge unnötig lange zerdenken. Häufig führt uns der erste Impuls bereits in die richtige Richtung, zum Beispiel, wenn es um die Wahl der Speise im Restaurant oder den Kauf eines Kleidungsstücks geht, welches gut zur bisherigen Garderobe passen soll. Bei größeren, potenziell schwerwiegenderen Entscheidungen sollten wir uns jedoch nicht (nur) auf unser Bauchgefühl verlassen, sondern bei der Informationsverarbeitung systematischer vorgehen und bei Bedarf Experten befragen.
Was macht eine gute Entscheidung aus?
Versuchen Sie bei sehr wichtigen Entscheidungen, verschiedene Optionen rational zu durchdenken und gegeneinander abzuwägen. Am besten verschriftlichen Sie Ihre Gedanken – das hat den Vorteil, dass Ihnen die einzelnen Argumente präsenter werden, Sie am Ende alle gesammelt vor sich sehen und so einen besseren Überblick bekommen. Greifen Sie zu Stift und Papier und gehen Sie stoisch nach der folgenden Systematik vor:
- Informationen sammeln: Schreiben Sie alle Aspekte der zur Wahl stehenden Optionen auf. Geht es zum Beispiel um die Frage, ob Sie in Ihrem aktuellen Job bleiben oder ein neues Stellenangebot annehmen möchten, sammeln Sie alle Fakten zu beiden Möglichkeiten (Arbeitsinhalte, Team, Gehalt, Wachstumsmöglichkeiten, etc.). In diesem ersten Schritt geht es noch nicht um eine Wertung, sondern erst einmal um das neutrale Zusammentragen von Informationen, damit Sie später nichts übersehen.
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Abwägen und bewerten: Jetzt stellt sich die Frage, wie sehr diverse Aspekte der verschiedenen Optionen ins Gewicht fallen – und zwar für Sie ganz persönlich! Für diesen Schritt ist es deshalb enorm wichtig, sich selbst gut zu kennen, also um die eigenen Werte, Bedürfnisse, Wünsche und Ansprüche zu wissen. Bietet Ihnen der neue Job beispielsweise mehr Geld, Sie wissen aber von sich selbst, dass Ihnen dieser Aspekt alleine nicht so wichtig ist, sondern vielmehr die Freiheit, sich beruflich zu entfalten für Sie zählt, wird dieser Punkt nicht ausschlaggebend sein, um sich für die neue Option zu entscheiden. Wichtig ist hierbei, ehrlich zu sich selbst zu sein, was Sie wirklich möchten, und zu versuchen, Erwartungen Dritter außen vor zu lassen.
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Entscheiden, handeln und daraus lernen: Treffen Sie schließlich Ihre Entscheidung und handeln Sie entsprechend. Im Beispiel: Entscheiden Sie sich entweder für Ihren aktuellen Job und schlagen das Angebot aus, oder wählen Sie die neue Option. Infolge unserer Entscheidungen lernen wir immer wieder Neues, was uns bei künftigen Weggabelungen hilft. Angenommen, Sie wählen den neuen Job, merken dort aber nach einer Weile, dass Ihnen ein bestimmter Aspekt stark fehlt, der in Ihrem letzten Job gegeben war. Dann wäre Ihr Learning, diesem Punkt von nun an mehr Wichtigkeit in Ihrem Leben beizumessen und bei künftigen Jobentscheidungen noch mehr darauf zu achten. Denken Sie daran: Egal, wie Sie sich entscheiden – Sie können daraus nur lernen! Und Sie können zu jeder Zeit neu entscheiden. Beide Gedanken nehmen Ihnen den ungeliebten Druck.
Vier Entscheidungstypen und wie sie leichter eine Wahl treffen
So unterschiedlich wir Menschen sind, so verschieden gehen wir auch an das Thema Entscheidungen heran. Im Folgenden beschreibe ich, wie vier verschiedene Charaktere Entscheidungen treffen und was ihnen dabei hilft, sicherer und schneller vorzugehen und bessere Ergebnisse zu erzielen.
- Kopflastige Entscheider: Sie neigen dazu, jedes Für und Wider gründlich zu durchdenken und möchten dabei ja keine Information auslassen. Da sie generell zum Hinterfragen von Gegebenheiten neigen, finden sie oft immer wieder neue Pro- und Contra-Argumente für jede Option und verschieben so die eigentliche Entscheidung immer weiter in die Zukunft. “Paralysis by analysis”, sozusagen. Für sie ist besonders wichtig, sich alle Argumente aufzuschreiben, um sich nicht im Kreis zu drehen und stets wieder von vorne zu beginnen mit ihren Überlegungen. Zum anderen hilft es, sich einen festen Termin zu setzen, wann sie mit dem Durchdenken einer Thematik abschließen und verbindlich eine Entscheidung treffen möchten, zum Beispiel als spezifisches Datum oder als Zeitspanne (“Ich gebe mir noch eine Stunde/einen Tag/eine Woche.”), wobei hier möglichst kurze Spannen gewählt werden sollten.
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Emotional orientierte Entscheider: Manche Menschen richten sich bei ihren Entscheidungen sehr stark nach ihren (intensiven) Gefühlen und Stimmungen, was in impulsiven Handlungen resultieren kann, die nachher bereut werden oder sich als ungünstig erweisen. Wer dazu neigt, sollte darauf achten, niemals in emotional aufgewühlen Zuständen zu entscheiden, sondern sich erst einmal zu beruhigen und gegebenenfalls eine Nacht darüber zu schlafen. Diesen Menschen hilft auch als allgemeine Regel, niemals zu schnell zu entscheiden und bewusst die Ratio zu involvieren, indem erst einmal alle Fakten analysiert und wertneutral aufgeschrieben werden. Nach diesem systematischen Vorgehen und dem Abkühlen der ersten intensiven Empfindungen treffen die Emotionalen wesentlich nachhaltigere Entscheidungen.
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Unsichere Entscheider: Einige neigen dazu, weder der eigenen Intuition noch den gesammelten Fakten zu vertrauen. Sie sind eher ängstlich und fühlen sich oft erst beruhigt, wenn andere Menschen, denen sie vertrauen, ihnen gut zusprechen. Abgesehen davon, dass sie dieses Thema grundsätzlich angehen sollten, um sich von dem Feedback anderer zu emanzipieren und mehr auf die eigene innere Stimme zu hören, werden solche Menschen immer davon profitieren, eine reflektierte Zweitmeinung einzuholen. Dabei sollten sie unbedingt darauf achten, dass die beratende Person nicht nur sie selbst gut kennt, sondern auch ausführlich über die Sachlage der Situation Bescheid weiß. Nur eines von beidem reicht nicht, sonst resultieren aus dem Feedback entweder allgemeingültige Ratschläge, die den Charakter der Person außer Acht lassen, oder Fehlentscheidungen aufgrund von mangelndem Faktenwissen.
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Praktisch orientierte Entscheider: Schießlich gibt es Menschen, die etwas erst selbst erlebt haben müssen, um zu wissen, wie sie es finden. Mit Theorie und Vorstellungskraft haben sie in der Regel wenig am Hut, sondern richten sich bevorzugt nach greifbaren Fakten, die sie mit ihren fünf Sinnen wahrnehmen können. Bei ihnen ist es wichtig, praktische Erfahrungen mit einer Option zu sammeln, bevor sie eine finale Entscheidung treffen. So können ihnen zum Beispiel ein Probearbeitstag beim potenziellen neuen Arbeitgeber, eine Probefahrt mit einem zur Wahl stehenden Fahrzeug oder auch ein paar Stunden Klavierunterricht, bevor in den Kauf eines eigenen Pianos investiert wird, dabei helfen, ihre Wahl für oder gegen etwas auf ein erfahrungsbasiertes Fundament zu stellen und so die richtige Entscheidung zu treffen.
Abschließende Gedanken für mehr Entscheidungsfreude
Ob Sie Angst haben, sich durch eine Entscheidung von anderen schönen Optionen trennen zu müssen oder durch eine falsche Wahl negative Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen: Machen Sie sich klar, dass es besser ist, überhaupt zu entscheiden und entsprechend zu handeln, als niemals aktiv zu werden! Denn sonst verschieben Sie unnötig Ihre Weiterentwicklung und im Grunde Ihr Leben auf später. Denken Sie auch daran, dass eine Entscheidung nicht das Ende ist, sondern der Anfang von etwas Neuem. Sie können aus allen Entscheidungen lernen und Ihren Kurs fortlaufend anpassen – die wenigsten Entscheidungen sind völlig irreversibel und es gibt fast immer Möglichkeiten, im Nachhinhein ungünstig anmutende Entscheidungen zu korrigieren. So nehmen Sie sich selbst den Druck und die Überbewertung der Wichtigkeit einer einzelnen Entscheidung.
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04.05.2020