Elternzeit für Väter: Das Ende der Karriere?

von Ragnhild Struss
Johann B. ist Investmentbanker und zufrieden in seinem Job. Nun wird er bald Vater und würde eigentlich gerne eine Elternzeit nehmen, um für seine Frau und das Kind da zu sein - doch das sei im Finanzwesen nicht üblich. Er hat gesehen, was mit einem Kollegen passiert ist, der Elternzeit nehmen wollte: Erst habe man ihn versetzt, dann in ein fensterloses Büro gesteckt. Offiziell habe man ihm natürlich seine Zeit gewährt. Aber inoffiziell war das sein Aus. Als Job-Coach auf stern.de gibt Ragnhild Struss angehenden Vätern wie Johann den folgenden Rat:
Lieber Johann,
leider deckt sich Ihr Eindruck mit den Erfahrungen, die wir in unserer Karriereberatung sammeln. Es gibt faktisch Branchen, in denen es für Väter schwieriger ist, Elternzeit zu nehmen, als in anderen. Bezeichnenderweise sind dies häufig traditionelle Felder wie der Finanzsektor. Umso schöner, dass Sie trotzdem mit dem Gedanken spielen.
Wertesystem neu ordnen
Sehr häufig führen Schwellensituationen wie die Geburt eines Kindes dazu, das eigene Wozu und Warum zu hinterfragen. Die Wertehierarchie ordnet sich neu. Wo früher Leistung, Status und Abwechslung standen, nehmen dann oft Werte wie Familie, Sicherheit und Beziehung Platz. Das ist ein ganz natürlicher Prozess – bei Müttern wie bei Vätern. Allerdings haben nicht alle Arbeitgeber Verständnis dafür. Deswegen sieht die Realität so aus, dass eine Elternzeit mehr Bremse als Boost ist für die Karriere im klassischen Sinne – also für alle, die linear aufsteigen wollen. Und da kommen Sie ins Spiel. Denn im Grunde geht es darum, was Ihnen wirklich wichtig ist. Jetzt und in Zukunft. Das Recht haben Sie in jedem Fall auf Ihrer Seite, schließlich ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, Ihnen eine Elternzeit zu gewähren. Im Anschluss daran können Sie an eine Stelle zurückkehren, die gleichwertig ist mit ihrer alten Position – und zwar sowohl im Hinblick auf Qualifikationen als auch auf die Rahmenbedingungen wie Gehalt und Arbeitszeit. Wer vorher eine Führungsrolle hatte, muss auch nachher wieder eine erhalten.
Aber auf juristischer Ebene zu argumentieren, sorgt meist nicht für eine positive Grundhaltung beim Arbeitgeber. Stattdessen lieben es Chefs, wenn Mitarbeiter proaktiv sind, unternehmerisch denken und Lösungen anbieten. Deswegen empfehle ich Ihnen, einen 3-Punkte-Plan zu erstellen.
Als Vater in Elternzeit? Prioritäten setzen!
Legen Sie im ersten Schritt zusammen mit Ihrer Frau fest, welche Wünsche Sie haben. Wie lange wollen Sie in Elternzeit gehen? In welchem Umfang wollen Sie danach wieder einsteigen? Schreiben Sie auf, wie Sie sich das Nebeneinander von Arbeit und Familie vorstellen. Anschließend geht es ans Eingemachte: Ihre Verbindlichkeit. Bestimmen Sie in Form von Prozentzahlen, in welchem Maß Sie sich Ihren Zielen auch tatsächlich verpflichtet fühlen. Vorhaben, die 100 bis 80 Prozent erhalten, müssen erfüllt werden. Alles darunter ist, wenn Sie ehrlich zu sich selbst sind, nur "nice to have". So wird im zweiten Schritt deutlich, was für Sie Vorrang hat.
Angebote machen
Erkundigen Sie sich, wie der Prozess bei Ihrem Kollegen genau abgelaufen ist, und was Sie besser machen können. Um die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Sie nach der Elternzeit denselben "Stand" wie vorher haben, sollten Sie sich bewusst positionieren – und zwar als Verantwortungsträger. Gibt es zum Beispiel ein Thema oder ein Projekt, bei dem Sie alleiniger Experte sind? Dann könnten Sie vielleicht eine wöchentliche Telefon-Konferenz mit Ihrem Team vereinbaren. Als Entgegenkommen für Ruhe an allen anderen Tagen. Wenn Sie davon ausgehen, dass eine Vertretung installiert wird, können Sie mit einem Einarbeitungsplan aufwarten. Zwar ist es nicht ihr Job, sich darum zu bemühen. Aber Ihre Chancen auf einen reibungslosen Wiedereinstieg steigen massiv, wenn Sie selbst dafür sorgen, dass auch ohne Sie alles seinen gewohnten Gang geht. Wo kein Leidtragender, da kein Ärger.
Weiche Faktoren ins Rennen bringen
Flankieren können Sie Ihren 3-Punkte-Plan, indem Sie die Soft Skill-Karte ziehen und die positiven Aspekte Ihrer Elternzeit anführen. Eltern zu sein, erfordert ein hohes Maß an organisatorischen, kommunikativen, sozialen und Führungskompetenzen. Starke Nerven inklusive. Und einen Image-Aspekt hat Ihre Elternzeit auch: Wenn Ihr Bankhaus gute PR gebrauchen kann, könnten Sie sich selbst als persönliches Beispiel für ein familienfreundliches Unternehmen anbieten, das sich für Gleichberechtigung einsetzt. Ein Artikel für die Firmen-Website, ein Beitrag im Nachhaltigkeitsbericht – und wieder ist ein Vorteil für den Arbeitgeber gewonnen. So könnte Ihre Bank Vorreiter einer Branche werden, die aufholen muss in Sachen Elternzeit.
Zuerst erschienen auf stern.de
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16.08.2018