Know your worth: So stärken Sie Ihren Selbstwert
von Ragnhild Struss
Viele Menschen haben auf die eine oder andere Weise mit einem niedrigen Selbstwertgefühl zu kämpfen und leiden darunter, dass Sie sich selbst wie einen Feind behandeln. Ragnhild Struss verdeutlicht, woran sich ein gesunder Selbstwert bemisst und wie Sie diesen nachhaltig trainieren können.
Neigen Sie dazu, Fehler und Misserfolge auf einen Mangel an Können oder Motivation bei sich selbst zurückzuführen? Fällt es Ihnen schwer, positives Feedback anzunehmen, weil Sie ihm innerlich widersprechen? Fühlen Sie sich tagelang nach einem Streit noch schlecht oder schuldig? Und stecken Sie regelmäßig Ihre eigenen Bedürfnisse zurück, um andere nicht zu „verärgern“ und sich ihre Sympathie nicht zu verspielen? Dann könnte Ihr Selbstwertgefühl definitiv ein Upgrade vertragen! In diesem Artikel erfahren Sie, wofür der Begriff Selbstwert eigentlich steht, was ein gesundes Selbstwertgefühl kennzeichnet und mit welchen Tipps und Übungen Sie diese positive Einstellung zu sich selbst kultivieren können.
Selbstwert, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen – wo liegt der Unterschied?
Als Selbstwert, auch Selbstwertgefühl, Selbstwertschätzung oder Selbstachtung, bezeichnen Psychologen die Bewertung der eigenen Person. Dabei kann man sich selbst wie auf einem Kontinuum einen niedrigen bis hohen Wert zuschreiben. Selbstbewusstsein hingegen beschreibt recht neutral das Erkennen der eigenen Persönlichkeit, also wie bewusst sich eine Person über ihre Eigenschaften, Stärken, Talente, Werte und Ziele ist. Schließlich ist noch der Begriff des Selbstvertrauens abzugrenzen: Dabei handelt es sich um die Teilkomponente von Selbstwert, die sich auf die Kompetenzüberzeugungen eines Individuums bezieht, sprich wie viel Zuversicht oder Verlass sie in Bezug auf ihre eigenen Fähigkeiten verspürt.
Ob wir über ein gesundes Selbstwertgefühl verfügen oder nicht, lässt sich ganz einfach an unserem Umgang mit Fehlern ablesen. Stellen Sie sich einmal vor, Ihnen passiert im Job ein gravierendes Missgeschick – Sie haben beispielsweise die entscheidenden Unterlagen für eine wichtige Kundenpräsentation vergessen. Wie reagieren Sie? Wer sich übertrieben oft entschuldigt, sich selbst als „dumm“ oder „unfähig“ bezeichnet – laut ausgesprochen oder im eigenen Kopf – und sich auch Tage später das Malheur nicht verzeihen kann, dessen Selbstwert ist eher gering ausgeprägt. Jeder gemachte Fehler bringt dann das Bild von sich selbst ins Wanken, veschlechtert sofort Gefühle und Gedanken über die eigene Identität – die Gesamtperson – , anstatt den Fehler auf einer Verhaltensebene anzusiedeln. Doch auch das andere Extrem ist ungünstig: Narzisstisch angehauchte Menschen würden ihr Faux-pas vielleicht verharmlosen wollen oder anderen in die Schuhe schieben – dabei ist ihr vermeintlich selbstbewusstes Auftreten nur eine Überkompensation von tiefsitzenden Komplexen. Der Mittelweg ist der gesündeste: den Fehler ehrlich eingestehen, sich aufrichtig und angemessen dafür entschuldigen, für die Zukunft daraus lernen und am besten kommunizieren, wie man das zu tun gedenkt – und dann das Ganze mental und emotional loslassen, ohne sich damit auf der Ebene des eigenen Wertes als Person selbst zu zerfleischen.
Warum ein gesundes Selbstwertgefühl wichtig ist
Laut dem Psychologen Nathaniel Branden, der sich intensiv mit Selbstwert als Forschungsgegenstand auseinandergesetzt hat, lassen sich nahezu alle psychologischen Probleme auf ein zu geringes Selbstwertgefühl zurückführen. Dies ist naheliegend, denn wer sich selbst nicht als wertvoll empfindet, nimmt eher schlechte Behandlung durch andere in Kauf, setzt sich zu wenig für sich selbst ein, traut sich wenig zu und lässt deshalb viele Chancen ungenutzt und kann sich auf dieser Basis schlechter glücklich und zufrieden fühlen. Außerdem löst ein niedriges Selbstwertgefühl oft eine sich selbst erfüllende Prophezeiung aus: Indem man auf andere ausstrahlt, dass man sich nicht für wertvoll hält, zieht man nach dem Resonanzprizip leider Menschen und Situationen an, die einem dies „bestätigen“. Die gute Nachricht ist: Es funktioniert umgekehrt auch. Sprich: Je positiver Sie über sich selbst denken, desto positiver werden die Erfahrungen sein, die Sie machen. Das liegt vor allem daran, dass man im Umgang mit der Außenwelt unbewusst danach sucht, sein Selbstbild zu bestätigen. Ihr Maß an Selbstwertgefühl bildet die Basis Ihres Lebensglücks. Wie heißt es in Instagram Posts so häufig? Lesen Sie das noch einmal: Ihr Maß an Selbstwertgefühl bildet die Basis Ihres Lebensglücks! Glücklicherweise lässt sich ein guter Selbstwert gezielt trainieren.
1. Sich auf das Positive konzentrieren
Beobachten Sie einmal, wie Sie im Alltag auf sich und Ihr Leben blicken und es innerlich kommentieren: Ärgert Sie Ihre zu große Nase, machen Sie sich Sorgen, dass die Bekannte einer Bekannten Sie bei der Party neulich unsympathisch fand und ist es Ihnen peinlich, wie schlecht Sie beim Bowling mit den Kollegen abgeschnitten haben? Oder freuen Sie sich über Ihre natürlich volle Haarpracht, fühlen Sie sich berührt vom Kompliment eines guten Freundes und sind Sie stolz auf Ihr Organisationstalent? Je nachdem, worauf Sie Ihren Fokus legen, ist das Glas Ihres Selbstwerts halb leer oder halb voll – entscheiden Sie sich bewusst für letzteres! Am besten trainieren Sie sich diesen Wechsel Ihrer Aufmerksamkeit hin zum Positiven mit schriftlicher Unterstützung an: Halten Sie alles, was Ihnen ein gutes Gefühl über sich selbst gibt, in einem Erfolgs- und Lobtagebuch fest. Darunter können schöne Komplimente fallen, Situationen, in denen Sie sich erfolgreich, selbstbewusst und glücklich gefühlt haben sowie alles andere, was Ihren Selbstwert stärkt. Unsere Gedanken steuern unsere Gefühle. Je öfter Sie positiv über sich denken, desto besser werden Sie sich fühlen. Deshalb ist ein liebevoller, wohlwollender und großzügiger innerer Dialog extrem wichtig (mehr dazu auch in unserem Artikel zum Thema Selbstmitgefühl). Und wenn Sie sich im Alltag dabei ertappen, wie Ihr innerer Kritiker Sie fertigmacht, dann halten Sie dagegen: Kommentiert er „Du bist echt so verplant, jetzt hast du schon wieder einen wichtigen Termin vergessen! Unmöglich!“, dann entgegnen Sie ihm „Ich bin liebenswert, habe andere Qualitäten und brauche mich nicht zu verstecken. Für meine Selbstorganisation bemühe ich mich um eine Erinnerungsfunktion mit Klingelton. Mein Wert als Mensch ist unantastbar und davon unabhängig.“ Versuchen Sie, diese Übungen wirklich anzuwenden, und Sie werden erstaunt sein, wie sich Ihr Selbstwert schon nach kürzester Zeit steigert.
2. Sich auf faire Art vergleichen
Häufig ist es Gift für unser Selbstwertgefühl, und doch tun wir es immer wieder: soziale Vergleiche unserer Person mit anderen. Besonders die optimierte Selbstdarstellung bei Instagram und Co. verleitet dazu, das eigene Leben – zusammen mit Fähigkeiten, Attraktivität und anderen Aspekten – im Kontrast zu dem erfolgreicher Influencer als minderwertig zu empfinden. Am besten wäre es, jegliche Vergleiche komplett zu vermeiden und gar nicht erst die eigene Wertigkeit (oder die der anderen) anhand von Leistungen, Äußerlichkeiten, Status oder ähnlichem zu beurteilen. Wem das nicht ganz gelingt – kein Wunder, da vergleichende Bewertungssysteme in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Norm sind –, der sollte zumindest fair und realistisch vergleichen: Wer beispielsweise seine Attraktivität am Maßstab von Gisele Bündchen bewertet und seine Intelligenz anhand der von Albert Einstein, sucht sich Menschen aus, die genau in diesen Bereichen für ihr überdurchschnittliches „Abschneiden“ darin weltbekannt sind. Sie könnten Ihr Aussehen oder Denkvermögen mit unzähligen anderen Menschen vergleichen – statt gegenüber den „Weltbesten kläglich zu versagen“. Ebenfalls unfair ist, sich nur auf den Ist-Zustand und nur auf eine Eigenschaft zu konzentrieren: Sie ärgern sich darüber, dass Sie nicht so gut Klavier spielen können wie ein Freund von Ihnen. Aber haben Sie zum einen überhaupt schon ebenso viel Zeit und Arbeit ins Üben gesteckt wie er? Und ist Ihr Freund Ihnen aufgrund seines (in Ihrer Wahrnehmung) besseren Klavierspiels „auf ganzer Linie“ überlegen – oder gibt es auch Dinge, die Ihnen leichter fallen als ihm? Wir alle haben sehr viele Facetten, die es in dieser Kombination nur einmal auf der Welt gibt. Machen Sie sich das klar, bevor Sie einzelne Aspekte an sich selbst herauspicken und auf den Prüfstand stellen.
3. Sich abgrenzen und eigene Bedürfnisse ernst nehmen
Gerade Menschen mit hoher sozialer Intelligenz kennen das Dilemma, zwischen den (vermeintlichen) Erwartungen anderer und den eigenen Wünschen eine Balance finden zu müssen. Sie hatten sich darauf gefreut, am Abend endlich mit der YouTube-Yoga-Reihe anzufangen – doch dann braucht Sie mal wieder Ihre beste Freundin für das Lektorat der Seminararbeit, und Sie verwerfen Ihre ursprünglichen Pläne. In Ihrer Firma ist intern eine spannende Stelle ausgeschrieben, die wie für Sie gemacht ist – aber Sie wissen, wie gerne Ihr Kollege diese hätte, und lassen ihm den Vortritt, indem Sie sich gar nicht erst bewerben. Die Grenzen zwischen Einfühlsamkeit und beziehungsfördernder Flexibilität hin zu Aufgabe der eigenen Bedürfnisse und gar Persönlichkeit sind fließend und werden sicherlich von jedem anders bewertet. Während bei einigen „My way or the highway“ gilt und sie wie selbstverständlich den Ton angeben, überlassen manche gerne anderen die Führung. Achten Sie aber unbedingt darauf, sich selbst nicht „zu kurz kommen“ zu lassen! Versuchen Sie es so zu betrachten: Die Wünsche und Befindlichkeiten anderer Menschen sind wichtig, aber genauso wichtig – und manchmal vielleicht auch wichtiger – sind Ihre eigenen Bedürfnisse! Wenn Sie mal wieder kurz davor stehen, zu einer Anfrage wie selbstverständlich „ja“ zu sagen oder Ihre eigenen Präferenzen bereitwillig zu verwerfen, halten Sie einen Moment inne, um in sich hineinzufühlen. Haben Sie gerade wirklich die Zeit, Lust und Energie, um auf den anderen Menschen einzugehen – oder sollten Sie sich zugunsten Ihres Wohlbefindens entscheiden? Sie können auch darauf achten, dass über die Zeit hinweg die Waage ausgeglichen ist: Die letzten Male hat Ihr Kumpel das Kinoprogramm bestimmt? Dann sind jetzt definitiv Sie dran mit Entscheiden! Dies ist eine enorm wichtige Basis für ein gesundes Selbstwertgefühl: Nicht nur die anderen und deren Erwartungen sind wichtig und wertvoll, sondern auch Sie „sind es wert“, dass sich andere mal nach Ihnen richten oder dass Sie sich selbst mal eine Pause gönnen. Um den Fokus derart nach innen legen zu können, helfen Achtsamkeitspraktiken wie Meditation oder auch regelmäßiges Tagebuchführen (siehe dazu unseren Beitrag zum Thema Journaling).
4. Sich in seinem eigenen Körper wohlfühlen
Ein guter Selbstwert bezieht sich nicht nur auf die emotional-psychische Ebene, sondern auch auf unser Körpergefühl. Denn dieses beeinflusst unser mentales Befinden wechselseitig: So ziehen körperliche Empfindungen immer auch bestimmte Emotionen nach sich, während sich positive Stimmung heilend auf unsere körperliche Gesundheit auswirken kann. Diesen Zusammenhang können wir nutzen und unseren Selbstwert gezielt über unser physisches Wohlbefinden stärken. Für einen sofort spürbaren Effekt atmen Sie tief durch, richten Sie Ihre Wirbelsäule auf, ziehen Sie die Schultern zurück und stehen oder sitzen Sie aufrecht. Lächeln Sie, auch ohne Grund – das sendet ein positives Signal an Ihr Gehirn und kann Ihre Stimmung effektiv aufhellen. Sorgen Sie zudem durch gesunde Alltagsroutinen gut für sich selbst: Achten Sie so oft wie möglich auf nährstoffreiches, wenig verarbeitetes Essen und nehmen Sie sich Zeit zum Kochen. Tragen Sie Kleidung, in der Sie sich wirklich wohlfühlen. Finden Sie eine Form der Bewegung, die Ihnen Spaß macht, und planen Sie regelmäßig Zeit dafür ein. Gönnen Sie sich körperliche Erholung in Form von Bädern, Massagen, Saunabesuchen – je nachdem, was Ihnen persönlich besonders guttut. Ihr Körper ist der Ort, an dem Ihre Seele wohnt. Schenken Sie ihm deshalb genügend Liebe und Zuwendung.
5. Sich annehmen und wie den Menschen behandeln, den man am meisten liebt
Um uns selbst zu verdeutlichen, wie wir uns eigentlich behandeln, über uns denken und mit uns (in unserem inneren Dialog) sprechen sollten, brauchen wir uns nur folgende Frage zu stellen: Wie würde ich in dieser Situation mit dem Menschen umgehen, den ich am meisten liebe? Das setzt alles in die richtige Perspektive, denn im Grunde sollten SIE dieser Mensch sein! Da dies jedoch vielen schwerfällt, hilft die Frage als Brücke, um eine angemessene Reaktion zu finden. Stellen Sie sich nochmal das eingangs erwähnte Beispiel vor: Sie machen einen Fehler und in Ihrem Kopf beginnt der innere Kritiker vielleicht schon, sie zu beschimpfen und fertigzumachen. Würde der Mensch, den Sie am meisten lieben, jedoch einen Fehler machen, wäre Ihre Reaktion sehr viel verständnisvoller: „Nicht so schlimm, das kann passieren. Wir finden eine Lösung. Nächstes Mal kriegst du es bestimmt besser hin.“ Es ist sehr wichtig, dass Sie sich einen solch wohlwollenden, toleranten und einfühlsamen Umgang mit sich selbst antrainieren! Denn überzogener Perfektionismus und zu hohe Ideale, die niemals erreicht werden können, untergraben langfristig Ihr Selbstwertgefühl (auch zu diesem Punkt mehr in unserem Artikel zu Selbstmitgefühl).
6. Sich gegenüber anderen verantwortlich zeigen
Wir Menschen sind durch und durch soziale Wesen. So ist es naheliegend, dass die Qualität unserer zwischenmenschlichen Beziehungen ein wichtiger Faktor für unser Selbstwertgefühl ist. Übernehmen Sie Verantwortung und verhalten Sie sich kooperativ und hilfsbereit gegenüber anderen Menschen – damit vermitteln Sie nicht nur anderen ein gutes Gefühl, sondern steigern auch Ihre positive Einstellung gegenüber sich selbst. Personen mit geringem Selbstwertgefühl haben manchmal die Neigung, sich in ihren Beziehungen eher zurückzuziehen – sei es aus Angst vor Ablehnung oder aus dem Glauben, sie können ohnehin nichts Sinnvolles beitragen. Das kann eine Abwärtsspirale der Isolation nach sich ziehen. Glauben Sie anderen Menschen, wenn diese Ihnen vermitteln, dass Sie sie gerne bei Aktivitäten dabei hätten oder dass sie Ihren Rat, Ihre Hilfe oder einfach Ihre Präsenz schätzen! Nur wenn Sie sich in Ihren sozialen Beziehungen zeigen, können Sie mit anderen positive gemeinsame Erfahrungen sammeln – die wiederum günstig auf Ihr Selbstwertgefühl im zwischenmenschlichen Bereich einzahlen.
Dranbleiben lohnt sich
Ein niedriges Selbstwertgefühl ist meist schon von frühen Kindheits- und Jugenderfahrungen geprägt und lässt sich natürlich nicht von heute auf morgen komplett verwandeln. Oft sitzen die Überzeugungen, man selbst sei weniger wert als andere, sehr tief und haben sich als nicht mehr hinterfragte Glaubenssätze fest in unseren Hinterköpfen verankert. Seien Sie deshalb geduldig mit sich selbst und lassen Sie sich Zeit! So wie sich Ihre aktuelle Einstellung zu sich selbst über viele Jahre entwickelt und eingeschliffen hat, so braucht es jetzt auch eine Weile, bis sich ein neues, positiveres Gefühl einstellen kann. Wichtig ist vor allem, dass Sie kontinuierlich und aktiv daran arbeiten und Ihren Selbstwert wie ein zartes Pflänzchen hegen und pflegen. Dann werden Sie mit der Zeit den wunderschönen Baum heranwachsen sehen, der in Ihrem Inneren bereits von Anfang an angelegt war.
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13.10.2020