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#Karriere

Mein Chef nervt - was sagt das über mich selbst aus?

Jemand steht auf einer Wiese und hält sich einen Spiegel vor das Gesicht

Mein Chef nervt - was sagt das über mich selbst aus?

Viele Arbeitnehmer kommen mit ihrem Vorgesetzten nicht klar. Ob es sich um übertriebene Pedanterie, Rechthaberei oder mangelnde Organisationsfähigkeit handelt: Manche Chefs sind einfach furchtbar – oder nicht? Warum uns einige Verhaltensweisen anderer Menschen auf die Palme bringen und was das über eigene verdrängte Charakteranteile verrät, erkläre ich Ihnen in diesem Beitrag.

Wir alle haben individuelle Eigenarten und womöglich seltsam anmutende Angewohnheiten. Ebenso verhält es sich bei unseren Vorgesetzten, die auch nur Menschen sind. Während wir bei anderen Personen öfter ein Auge zudrücken, was ihre Spleens angeht, bewerten wir das Verhalten unseres Chefs mitunter besonders kritisch und reagieren teilweise sehr emotional darauf. „Wieso hat er*sie schon wieder …“, „Wie kann er*sie nur …“ oder „Immer muss er*sie …“, regen wir uns auf. Doch gerade solch intensive Reaktionen können darauf hindeuten, dass die Ursache unseres Problems mit dieser Person eigentlich in uns selbst liegt. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, möchte ich mit einem kleinen Exkurs in die Psychologie C. G. Jungs beginnen.

Der Schatten unserer Persönlichkeit

Laut dem Psychoanalytiker Carl Gustav Jung besteht unser Selbst aus zwei verschiedenen Teilen: dem Ich, welches unsere bewusste Vorstellung von uns darstellt, mit der wir uns identifizieren, und dem „Schatten“. Letzterer enthält alle Persönlichkeitsanteile, die wir selbst nicht bewusst wahrnehmen, weil es sich dabei um unterdrückte, unerwünschte und verdrängte Wesenszüge handelt. Interessanterweise können andere Menschen solche Schattenanteile an uns oft klar sehen, während wir selbst einen „blinden Fleck“ haben und sie trotz Selbstreflektion nur schwer identifizieren können.

Im Schatten befinden sich Charaktereigenschaften und Impulse, bei denen uns in der Kindheit von unseren Bezugspersonen gespiegelt wurde, dass sie unerwünscht bzw. „schlecht“ seien. Als Reaktion haben wir diese Teile fortan unterdrückt, um die Liebe der Eltern nicht zu verlieren. Auch im weiteren Verlauf unseres Lebens prägen uns unsere Erfahrungen in Freundschaften, Partnerschaften oder im Berufsleben und sorgen dafür, dass wir weitere Anteile unserer Persönlichkeit in den Schatten verschieben. Solange wir uns nicht bewusst mit unseren Schattenaspekten auseinandersetzen und versuchen, diese in unser Selbst zu integrieren, bahnen sie sich in Form von unangebrachtem Verhalten oder als Krankheitsbilder ihren Weg an die Oberfläche. Das kann unsere Beziehungen, unsere Gesundheit und schließlich unsere Lebenszufriedenheit negativ beeinflussen.

If you spot it, you’ve got it

Wie aber erkennen wir, ob es sich bei der intensiven Genervtheit über unseren Vorgesetzten um das Wirken persönlicher Schattenanteile handelt? Am einfachsten gelingt es, wenn wir nach dem Motto „If you spot it, you’ve got it“ urteilen: Sobald wir eine Verhaltensweise an einem Menschen „spotten“, die uns sehr aufregt, verärgert oder in anderer intensiver Form bewegt, haben wir selbst damit auf irgendeine Weise ein unverarbeitetes Thema in unserem Schatten. Die Schattenanteile sind dabei nicht zwingend „negativ“ – es kann sich um Aspekte handeln, die wir in uns ablehnen, aber auch um Dinge, die wir uns selbst nicht erlauben, auf die wir neidisch sind und die wir noch entwickeln möchten.

Indem wir die Aspekte identifizieren, die wir an unseren Vorgesetzten stark ablehnen, werden wir zuverlässig auf unsere Schattenanteile gestoßen. Insofern können uns gerade unsere „Feinde“ – Konkurrenten, Frenemies und „furchtbare“ Chefs – bei unserer eigenen Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Im Grunde projizieren wir unseren Schatten auf die andere Person: Regen wir uns beispielsweise immer wieder über die Besserwisserei unseres Chefs auf, sollten wir uns fragen, wie es um unser eigenes Bedürfnis recht zu haben bestellt ist. Vielleicht beanspruchen wir für uns selbst, „besser Bescheid zu wissen“, und fühlen uns deshalb von einem Gegenüber bedroht, welches vermeintlich rechthaberisch ist. Oder wir wurden als Kind dafür getadelt, „belehrend“ oder „altklug“ zu sein, und versuchen nun mit aller Macht, diese Art in uns zu unterdrücken. Ein anderer, der sich „ungehemmt“ so gibt, kann in uns dann Empörung oder heimlichen Neid auslösen.

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Wie Chefs uns triggern und was wir daraus lernen können

Warum ausgerechnet Vorgesetzte in uns heftige Reaktionen auslösen können, die mit unseren Schattenanteilen in Verbindung stehen, liegt an ihrer Position: Im hierarchischen Gefüge stehen sie über uns – und erinnern viele Menschen unbewusst an das Verhältnis von einem Kind zu seinen Eltern. So wie unsere ersten Bezugspersonen uns im Rahmen ihrer Erziehung dazu „gezwungen“ haben, bestimmte Verhaltensweisen zu unterdrücken, sind wir in gewisser Weise auch dem Chef gegenüber verpflichtet, unerwünschte Aspekte unserer Persönlichkeit in den Schatten zu verbannen. Zwar kann theoretisch jeder andere Mensch uns in Bezug auf unsere Schattenanteile triggern – bei Vorgesetzten ist aufgrund des Machtgefüges jedoch besonders viel Potenzial dafür gegeben.

Wie Sie Ihre eigenen Schattenthemen im Verhältnis zu Ihrem Chef identifizieren und durch Reflektion darüber auflösen können, möchte ich anhand zweier Beispiele erläutern:

"Mein Chef ist so dominant!“ 

Es regt Sie immer wieder auf, was Ihr Chef sich alles rausnimmt, wie bestimmt und direktiv er auftritt und wie selbstverständlich er sich in seiner Machtposition präsentiert.

Was das über Sie aussagt: Je mehr Sie sich daran stören, dass ein anderer „viel Macht besitzt“ oder sich dominant verhält, desto stärker ist dieses Thema wahrscheinlich in Ihrem Unterbewusstsein am Arbeiten. Fragen Sie sich, wie es um Ihr eigenes Machtstreben bzw. Dominanzverhalten bestellt ist. Vielleicht haben Sie sich bislang noch gar nicht damit auseinandergesetzt und es scheint Ihnen auch nicht wichtig zu sein – während Sie insgeheim Ihren Vorgesetzten darum beneiden. Reflektieren Sie, in welchen Situationen und bei welchen Themen Sie mehr für sich selbst einstehen, sich an erste Stelle setzen oder anderen klar Ihre Meinung mitteilen müssten, um Ihr eigenes (berechtigtes) Streben nach mehr Dominanz zu verwirklichen.

„Mich nervt die Verplantheit meines Chefs!"

Ihrer Ansicht nach vergisst Ihr Vorgesetzter häufig Termine, erinnert sich nicht an Absprachen und kommt oft unpünktlich. In seinen Dokumenten macht er viele Flüchtigkeitsfehler und Sie ärgern sich sehr über seine mangelhafte Organisation wichtiger Themen.

Was das über Sie aussagt: Machen Sie sich zunächst klar, dass dies bereits eine subjektive Bewertung Ihres Vorgesetzten ist, und hinterfragen Sie, ob es sich dabei wirklich um objektive Tatsachen handelt oder um Ihre ganz persönliche Einschätzung. Überlegen Sie, warum Sie dieses (vermeintliche) Verhalten so aufregt, indem Sie das Kernthema – in diesem Fall „Unorganisiertheit“ – identifizieren und darüber reflektieren, wie dieses in Ihrer Psyche besetzt ist. Da gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder sind Sie sehr streng mit sich selbst und erlauben sich keinerlei Imperfektion – dann ist die Kritik an Ihrem Chef in Wirklichkeit die an dem Teil in Ihnen, der auch gerne einmal die Zügel etwas lockerer lassen würde. Sie beneiden womöglich Ihren Chef darum, dass er sich ein solches Verhalten „herausnimmt“, während Sie sich nicht erlauben es auszuleben. Ist bei Ihnen der unbewusste, vielleicht von den eigenen Eltern übernommene Glaubenssatz „Ich bin nur liebenswert, wenn ich gewissenhaft bin“ am Wirken – und fühlt sich deshalb jegliche Abweichung davon als bedrohlich an? Oder Sie befürchten, im Grunde ähnlich zu sein, lehnen Ihren eigenen „verpeilten“ Anteil aber in sich ab und sind jedes Mal sauer auf sich selbst, wenn Sie mal wieder eine Frist verpennt haben. Dann schimpfen Sie im Grunde über sich selbst und nicht über Ihren Chef. Versuchen Sie, sich allen möglichen Interpretationen Ihrer Schattenthemen zu öffnen. Der Prozess kann unangenehm sein, aber Ihre Persönlichkeitsentwicklung kann gerade davon stark profitieren.

Fazit

Zum Abschluss sei erwähnt, dass Sie selbstverständlich nicht bei jedem Verhalten Ihres Chefs den Fehler bei sich selbst suchen müssen. In Fällen von „Bossing“, dem systematischen Mobbing eines Angestellten durch seinen Vorgesetzten, sollten Sie darauf achten, sich zu schützen und Ihre Grenzen abzustecken. Bevor Sie jedoch Ihrem Chef (oder anderen Personen) eine negative Intention unterstellen, überprüfen Sie zunächst immer, ob Ihre persönlichen Schattenaspekte durch ein bestimmtes Verhalten getriggert worden sind. Sich den eigenen Anteil an Konflikten, Fehlkommunikation und Antipathie klarzumachen, bietet nicht nur die Chance auf Wachstum, sondern kann auch die Beziehung zu Ihrem Gegenüber nachhaltig verbessern. Und sollte es nicht „Ihr Thema“ sein, dann sollten Sie über einen Wechsel des Arbeitsplatzes nachdenken.

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