Häufige Jobwechsel: Wann komme ich beruflich endlich an?

von Ragnhild Struss
Mal hier, mal dort arbeiten - aber eigentlich nie länger als zwei Jahre einen Job machen. Das klingt nach Spannung und neuen Herausforderungen, aber auch nach Stress. Und nicht nach Beständigkeit. Aber braucht man die? Dieser Frage geht Ragnhild Struss in der Job-Coach-Kolumne auf stern.de nach.
Wer schon mehrere Jobwechsel hinter sich hat und sich nach dem ersten halben Jahr im neuen Job schon wieder die Frage stellt, ob dies nun wirklich "das Richtige" ist, kennt dieses Gefühl: Zwei Herzen schlagen in der eigenen Brust und führen unvermeidlich ins "Soll ich's wirklich machen, oder lass ich's lieber sein"-Dilemma. Der Reiz der Abwechslung auf der einen und das Streben nach Stabilität auf der anderen Seite liefern sich einen erbitterten inneren Wettstreit. Welcher Tendenz Sie nachgehen sollten, dafür gibt es klare Hinweise.
Wenn Sie bisher etwa alle zwei Jahre den Job gewechselt haben, lässt dies vermuten, dass Sie regelmäßige Veränderungen brauchen. Neuer Start, neue Chance. Bloß keine Routine. Vielleicht mögen Sie das Arbeitsabenteuer und den Sprung ins Ungewisse. Dieser Kurs hält Langeweile von Ihnen fern und eine Reihe unterschiedlicher Erfahrungen parat.
Manchmal hat der Drang zu wechseln allerdings einen anderen Ursprung. In Bereichen wie Werbung, Marketing, PR und Beratung wird schon Studenten eingebläut, dass sie alle zwei Jahre ihre Position wechseln müssen, wenn sie aufsteigen wollen. Aber nicht nur bei Agenturen oder Beratungsunternehmen, sondern auch bei den Global Playern unter den Konzernen lässt sich beobachten: Mitarbeiter denken, sie müssten sich turnusmäßig nach einem anderen Posten umsehen, um die "offiziellen Karriere-Kriterien" zu erfüllen. Zwei Jahre Inland, zwei Jahre Ausland, erst Führung, dann Leitung und so weiter. Dass dieses Modell nicht für jeden das passende ist und Karrieren auch anders verlaufen können, vergessen viele. Deswegen lautet die erste Frage, die Sie sich stellen sollten: Kommt mein Impuls von innen oder von außen?
Gekommen, um zu bleiben
Was Ihre aktuelle Situation betrifft, zeichnet sich eine leise Sehnsucht ab, endlich anzukommen. Einfach mal Ruhe und Sicherheit. Und vor allem Planbarkeit. Denn wenn klar ist, dass der Job zum Bleiben einlädt, kann sich der Blick entspannt auf die Zukunft richten. Im Kopf wird Raum frei, den bisher die permanente Jobsuche gefüllt hat. Andere Projekte können zum Zuge kommen und sich entfalten. Dasselbe gilt für Ihre Energie. Denn jeder Wechsel bedeutet Aufwand: sich einarbeiten, Kontakte aufbauen, Leistung zeigen. Die Kraft könnten Sie sich sparen.
Dass Sie zwischen diesen beiden Bedürfnissen hin und hergerissen sind, ist ganz normal. Das geht uns im Grunde genommen allen so. Jedes Leben verläuft in Wellenbewegungen: In verschiedenen Phasen tendiert das persönliche Pendel zum einen oder anderen Pol. Denn Jobplanung ist immer auch Lebensplanung. Wenn Sie über Ihre berufliche Situation nachdenken, rate ich Ihnen, alle Lebensbereiche einzubeziehen – von Gesundheit und Freizeit über Partnerschaft bis hin zu Familie. Leicht wird der Job zum Stellvertreter für eine Unzufriedenheit, deren Ursache eigentlich woanders liegt. Die zweite Frage heißt daher: Was ist mir aktuell in meinem Leben wichtig? Irgendetwas scheint sich seit den letzten Jobwechseln verändert zu haben. Was könnte das sein? Spielt Konstanz auch in anderen Lebensbereichen eine Rolle? Beim Wohnort, bei Beziehungen oder der eigenen Stimmung? Klopfen Sie ab, ob Sie das richtige Feld beackern, bevor Sie loslegen.
Die Falle der 100 Prozent Lösung
Häufig sind Menschen auch getrieben von der Angst, nicht "das Richtige" zu finden. Aber was ist das überhaupt? Als Karriereberaterin bin ich absolut überzeugt davon, dass es für jeden einen passenden Job gibt. Gleichzeitig steht fest: Je höher Ihre Erwartungen sind, desto größer ist das Enttäuschungspotenzial. Klafft erstmal eine Lücke zwischen Wunsch und Realität, stehen Frust, Lethargie & Co. schon in der Tür – und Sie mit einem Bein im Teufelskreis. Denn negative Emotionen verhindern, dass Sie produktiv sind, ziehen schlechte Ergebnisse nach sich und befeuern so die Enttäuschung. Also entzaubern Sie dieses ominöse Optimum und widmen Sie sich der dritten Frage, was Sie überhaupt unter "dem richtigen Job" verstehen. Welche Aufgaben sind für Sie richtig? Welches Umfeld? Mit welchen Menschen arbeiten Sie gerne? Für welches Geld? Indem Sie konkret – also am besten schriftlich – benennen, was für Sie ganz persönlich "richtig" heißt, schaffen Sie sich Ihr eigenes Bewertungssystem. Daran können Sie Ihren Job dann messen.
Eigene Stellschrauben identifizieren
Die vierte Frage, die Sie Ihrer Entscheidung näherbringt, bezieht sich auf Ihren eigenen Anteil: Was können Sie selbst dazu beitragen, dass Sie sich wohlfühlen und gerne zur Arbeit gehen? Was können Sie tun, um produktiv und positiv zu sein? Loten Sie Ihre eigenen Handlungsoptionen aus und gestalten Sie Ihre Arbeit so, dass sie zu Ihnen passt. Suchen Sie nach Projekten, die es Ihnen ermöglichen, Ihre Fähigkeiten einzusetzen. Wenn Sie tun, was Ihnen liegt, finden Sie auch Freude am Job – und das Positive verstärkt sich. Aufwärtstrend statt Teufelskreis.
Außerdem können Sie sich notieren, was Sie im Job brauchen, um motiviert zu sein. Fehlt Ihnen zum Beispiel Flexibilität, könnten Sie darum bitten, remote – also ortsunabhängig vom Rechner aus – zu arbeiten. Nicht jeder kann seine Leistung im Büro zur "Kernarbeitszeit" abrufen. Solange das Ergebnis stimmt, ist in vielen Branchen auch Homeoffice denkbar. Kennen Sie Ihre eigenen Stellschrauben, wissen Sie, wo Sie ansetzen können.
Entscheidungen ans Leben anpassen
Wenn Sie jetzt einen Blick auf die Antworten werfen, die Sie sich selbst auf die vier Fragen gegeben haben, denken Sie daran: Das ist eine Momentaufnahme. Selbst in einem Job, den Sie sehr mögen, in dem Sie sich entfalten und wohlfühlen, können Sie irgendwann den Wunsch nach Wachstum entwickeln. Entscheiden Sie jetzt, was für Ihre aktuelle Lebensphase am besten passt. Und gönnen Sie sich die Freiheit, die Bewertung immer wieder neu vorzunehmen. Dann haben Sie die besten Chancen, anzukommen.
Erschienen auf stern.de
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16.11.2018