Warum Thoughtful Leadership jetzt entscheidend ist – Führung in Krisenzeiten
von Ragnhild Struss
Ein mittelständisches Unternehmen kämpft plötzlich mit massiven Lieferengpässen. Führungskräfte treffen unter Druck schnelle Entscheidungen, das mittlere Management ist angespannt, während Mitarbeitende zwischen Frustration und dem Wunsch nach Stabilität schwanken. Ein Projektleiter, sonst besonnen, wird impulsiv, unterbricht Vorschläge und verstärkt die ohnehin fragile Stimmung. Die Folgen? Vertrauen schwindet, Missverständnisse häufen sich, und die Produktivität sinkt.
Krisen sind die ultimativen Stressmomente für Führungskräfte und Teams. Sie legen Unsicherheiten offen, schüren Ängste und stellen Führung vor eine zentrale Frage: Wie navigieren wir durch stürmische Zeiten, ohne die Menschlichkeit und strategische Klarheit aus dem Blick zu verlieren?
Wenn Stress das Steuer übernimmt
Unter Stress reagieren die meisten Menschen reflexartig. Unser Gehirn schaltet in den Überlebensmodus – Entscheidungen werden schneller, impulsiver und emotionaler. Typische Verhaltensmuster wie Übersprungshandlungen, defensive Kommunikation oder das Ignorieren von langfristigen Konsequenzen können die Zusammenarbeit im Team massiv beeinträchtigen. Führungskräfte, die in stressreichen Situationen ihre Ruhe verlieren, senden unbewusst Signale von Unsicherheit und Instabilität an ihre Teams. Das Vertrauen sinkt, Missverständnisse häufen sich und die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden bröckelt. Statt Klarheit und Richtung zu schaffen, verstärken solche Reaktionen das Chaos.
Für Unternehmen sind diese Dynamiken besonders riskant: Fehlentscheidungen, Konflikte im Team und eine sinkende Produktivität sind häufig die Folge. Zudem bleibt in einem solchen Umfeld kaum Raum für Innovation oder strategisches Denken – Aspekte, die gerade in Krisen überlebenswichtig sind. Ein dysfunktionales Stressverhalten der Führung kann also langfristig die Stabilität der gesamten Organisation gefährden.
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Unsicherheit: Der unsichtbare Treiber von Stress
Unsicherheit ist ein zentraler Faktor, der stressbedingte Reaktionen zusätzlich verstärkt. Sie wirkt wie ein Katalysator: Während manche Menschen darin eine Gelegenheit zur Anpassung und Flexibilität sehen, fühlen sich andere in ihrer Handlungsfähigkeit blockiert. Unadressierte Unsicherheit im Arbeitsumfeld kann schnell Vertrauen und Produktivität untergraben und zu einer Atmosphäre von Angst und Überforderung führen.
Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI). Sie eröffnet enorme Chancen, löst aber zugleich grundlegende Fragen und Ängste aus: Welche Jobs bleiben sicher? Wie verändern sich etablierte Prozesse? Diese Unsicherheiten entstehen oft durch mangelnde Klarheit und das Gefühl des Kontrollverlusts. Führungskräfte spielen hier eine Schlüsselrolle: Sie können entweder passiv auf die Ängste ihrer Teams reagieren – oder aktiv Räume schaffen, in denen diese Unsicherheiten offen benannt und bearbeitet werden.
Psychologische Studien zeigen, dass ein Gefühl von psychologischer Sicherheit – das Vertrauen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen sprechen und handeln zu können – essenziell ist, um Resilienz und Innovation zu fördern. Führungskräfte, die empathisch und klar agieren, schaffen ein Klima, in dem Ängste nicht ignoriert, sondern in konstruktive Energie verwandelt werden.
Der Unterschied: Thoughtful Leadership
Thoughtful Leadership setzt genau hier an. Dieser Führungsansatz fordert uns auf, innezuhalten und bewusst Abstand von impulsiven Reaktionen zu nehmen. Es verbindet die Prinzipien der Selbstreflexion, Empathie und ethischen Klarheit, um Führungskräfte zu befähigen, auch in schwierigen Zeiten Ruhe, Struktur und Orientierung auszustrahlen. Thoughtful Leadership bedeutet, stressbedingte Automatismen zu hinterfragen und stattdessen kluge, wohlüberlegte Antworten auf die Herausforderungen der Krise zu finden.
Mit Thoughtful Leadership wird Führung zu einem bewussten Akt – einer Haltung, die Unsicherheiten nicht ignoriert, sondern aktiv gestaltet. Es ist der Unterschied zwischen einem Team, das zerbricht, und einem, das trotz der Belastungen gemeinsam wächst.
Die drei Kernprinzipien Selbstreflexion, Empathie und Ethik bilden die Grundlage für eine nachhaltige und menschliche Führung – insbesondere in herausfordernden Zeiten.
Selbstreflexion: Von der inneren Unsicherheit zur bewussten Klarheit
Selbstreflexion geht über das Erkennen eigener Unsicherheiten hinaus. Sie verlangt, sich mit den tieferliegenden Mustern auseinanderzusetzen, die unser Führungsverhalten prägen. In Krisen geraten Führungskräfte oft in einen Modus, in dem sie ihre Handlungen stark rationalisieren oder emotional reagieren – getrieben von unbewussten Glaubenssätzen wie „Ich darf keine Schwäche zeigen“ oder „Alles hängt von mir ab“. Solche inneren Überzeugungen können die Situation zusätzlich belasten, wenn sie unreflektiert bleiben.
Wie diese Führungskraft, die stark leistungsorientiert ist, und in Krisenzeiten dazu neigt, noch mehr zu kontrollieren und Aufgaben selbst zu übernehmen, anstatt sie an ihr Team zu delegieren. Erst durch Selbstreflexion erkennt sie ihre unbewusste Angst, als schwach wahrgenommen zu werden. Mit diesem Wissen kann sie gezielt daran arbeiten, Aufgaben auf eine Art und Weise abzugeben, die zu ihr passt und ihr guttut, und so sowohl sich selbst als auch ihr Team zu entlasten.
Selbstreflexion ist keine bloße Selbstbeschäftigung, sondern ein Werkzeug, um innere Ruhe zu finden, in der eigenen Kraft zu bleiben und klare, authentische Entscheidungen zu treffen. Sie schafft die Grundlage dafür, auch in der Krise stabil und resilient zu führen.
Empathie: Der Schlüssel zu psychologischer Sicherheit
Empathie in der Führung bedeutet nicht nur, sich in andere hineinzuversetzen, sondern auch aktiv auf die emotionale Dynamik in Teams einzugehen. Studien zeigen, dass Teams, die sich verstanden fühlen, signifikant resilienter sind – selbst in unsicheren Zeiten. Thoughtful Leadership nutzt Empathie, um nicht nur individuelle Ängste zu adressieren, sondern kollektive Stimmungen bewusst zu gestalten.
Führt die Ankündigung von Restrukturierungen beispielweise zu einer Welle der Unsicherheit, initiiert die Führungskraft – statt ausschließlich die wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu betonen – offene Feedbackrunden, in denen Mitarbeitende ihre Sorgen und Vorschläge äußern können. Durch diese empathische Vorgehensweise entsteht nicht nur ein Gefühl des Gehörtwerdens, sondern auch ein Klima, in dem Unsicherheit durch Zusammenarbeit bewältigt wird.
Empathie bedeutet nicht, jedem Wunsch nachzugeben. Vielmehr geht es darum, die Perspektiven anderer zu verstehen und auf dieser Basis klug und klar zu handeln. Sie schafft das Fundament für psychologische Sicherheit – ein Zustand, der gerade in Krisen entscheidend ist.
Ethik: Führung mit langfristigem Weitblick
Ethik bietet Orientierung in Zeiten, in denen der Druck kurzfristiger Entscheidungen so groß ist, dass er eine langfristige Perspektive in den Hintergrund stellt. Sie fordert Führungskräfte dazu auf, die langfristigen Konsequenzen ihres Handelns zu überdenken – nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für die Menschen, die davon betroffen sind. Thoughtful Leaders nutzen Ethik als Kompass, um Werte wie Gerechtigkeit, Transparenz und Verantwortung in den Mittelpunkt zu stellen.
Wenn ein internationales Unternehmen vor der Entscheidung steht, eine umweltfreundliche, aber teurere Produktionsmethode einzuführen, scheinen die kurzfristigen Kosten so hoch, dass sich das nicht lohnt. Dennoch könnte die Führungskraft sich dafür entscheiden, die langfristigen Vorteile – wie die Reduktion von CO₂-Emissionen und den Aufbau einer nachhaltigen Marke – in den Vordergrund zu stellen. Diese Entscheidung, getragen von ethischen Überlegungen, stärkt nicht nur die Integrität des Unternehmens, sondern motiviert auch die Mitarbeitenden, hinter der Vision zu stehen.
Ethik in der Führung ist kein Luxus, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil nachhaltiger Entscheidungen von sozial verantwortungsvollen Unternehmen. Sie verbindet wirtschaftliche Ziele mit menschlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen und schafft so Vertrauen und Stabilität – selbst in unsicheren Zeiten.
Eine Haltung, die Wandel gestaltet
Thoughtful Leadership zeigt, dass bewusste Führung nicht bedeutet, alle Antworten zu kennen. Es geht darum, mit Mut und Reflexion Räume zwischen Anforderung und Handlung zu schaffen, in denen Menschen wachsen können – auch und gerade in Krisen.
Es lohnt sich, innezuhalten und zu fragen: Wie kann Führung nicht nur Ergebnisse liefern, sondern auch Sinn und Menschlichkeit bewahren? Thoughtful Leadership lädt dazu ein, Antworten darauf nicht allein zu finden, sondern gemeinsam mit anderen – für eine nachhaltige und kluge Zukunft.
03.12.2024