Wissen Sie, was Sie brauchen? Den menschlichen Bedürfnissen auf der Spur
von Ragnhild Struss
Wir werden von diversen Bedürfnissen geeint, die erfüllt sein müssen, damit wir ein gutes Leben führen können. Ragnhild Struss erörtert, welche Bedürfnisse das sind und wie wir individuell erkennen, was wir in welchem Moment unseres Lebens brauchen.
Von physiologischen Begehren wie Schlaf und Nahrung über den Wunsch nach Sicherheit und Bindung bis hin zu „höheren“ Bedürfnissen nach Wachstum und Selbstverwirklichung: Wir alle brauchen grundlegend ähnliche Dinge, um uns glücklich zu fühlen. Es gibt einige Theorien zur Natur unserer Bedürfnisse. So streben wir im Allgemeinen danach, Freude zu erhöhen, Leid zu vermindern, Ressourcen zu schonen, Belohnung nicht zu lange aufzuschieben und unseren Selbstwert zu stabilisieren. Nicht immer lassen sich jedoch alle Bedürfnisse gleichzeitig erfüllen. So gibt es mehrere dichotome Bedürfnispole, die sich in gewisser Weise gegenseitig ausschließen, wie der Wunsch nach Sicherheit und Vorhersagbarkeit auf der einen und die Sehnsucht nach Abwechslung und Überraschung auf der anderen Seite. Dieser Artikel soll ein Bewusstsein für unsere unterschiedlichen Bedürfnisse schaffen und eine Lanze dafür brechen, für die individuell passende Balance der Bedürfnisbefriedigung zu sorgen.
Hintergrund zu menschlichen Bedürfnissen
Umgangssprachlich für ein Verlangen, einen Wunsch oder einen Anspruch stehend, stellt ein Bedürfnis nach psychologischer Definition einen „Zustand oder Erleben eines Mangels, verbunden mit dem Wunsch ihn zu beheben“ dar. Damit verbunden ist also immer eine Motivation, das empfundene Bedürfnis zu stillen. Dabei kann man den Begriff einerseits verwenden, um einen aktuellen Zustand zu beschreiben („Ich habe gerade das Bedürfnis mich hinzulegen.“) als auch zur Beschreibung einer „zeitstabilen Disposition“, also einer grundlegenden Eigenschaft („Jeder Mensch hat ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit.“). In diesem Artikel soll es vor allem um letztere gehen. In der Psychologie können alle Menschen einende Bedürfnisse nach verschiedenen Kriterien geordnet werden, zum Beispiel nach ihrer Dringlichkeit (Grundbedürfnisse vs. Luxusbedürfnisse) oder nach ihrer Art (Individual- vs. Kollektivbedürfnisse).
Eine der bekanntesten Ordnungen ist die nach Rang sortierte Bedürfnispyramide von Abraham Maslow. Von der Basis bis zur Spitze sind das:
- Physiologische Bedürfnisse (z. B. Essen, Schlaf, Wärme, „Überleben“)
- Sicherheitsbedürfnisse (z. B. Wohnen, Arbeit, Einkommen)
- Soziale Bedürfnisse (z. B. Partnerschaft, Freundschaft, Zugehörigkeitsgefühl)
- Individualbedürfnisse (z. B. Anerkennung, Geltung, Bedeutung, „einen Beitrag leisten“)
- Selbstverwirklichung (Wachstum und volle Entfaltung der eigenen Persönlichkeit)
Maslows Pyramide ist so zu verstehen, dass wir fast immer zunächst unsere basalen Bedürfnisse erfüllt wissen müssen, bevor wir uns den Bedürfnissen der höheren Stufen widmen können. Beispiel: Wenn wir inmitten eines ganztägigen Vortrags zum Thema „Selbstständigkeit wagen“ irgendwann sehr viel Hunger bekommen, verschieben wir unsere Aufmerksamkeit zugunsten des grundlegenderen Bedürfnisses und werden (vor allem, wenn es sehr stark wird) irgendwann nur noch daran denken, woher wir etwas zu essen bekommen. Das „höhere“, durch den Vortrag angesprochene Bedürfnis nach beruflichem Erfolg und Selbstverwirklichung rückt dann – zumindest zeitweise – in den Hintergrund.
Die Psychologin Stefanie Stahl stellt in ihren Büchern als Grundbedürfnisse des Menschen Bindung, Autonomie, Sicherheit, Lustgewinn sowie Selbstwerterhöhung und Anerkennung heraus. Ein glückliches Leben ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass uns die Balance zwischen dem Bedürfnis nach Autonomie (also Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung, Freiheit, freie Entfaltung und Selbstausdruck) und dem nach Bindung (also Abhängigkeit im positiven Sinne, Konfliktfähigkeit, Nähe, Vertrauen, Liebe) gelingt. Kinder, bei denen beide Seiten befriedigt werden, erwerben ein tiefes Gefühl der Sicherheit, also Urvertrauen, das sich sowohl auf die eigene Person als auch auf die Verlässlichkeit zwischenmenschlicher Beziehungen bezieht.
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„Ein bisschen was von allem“ – dichotome Bedürfnisse
Auf jeder Hierarchie-Ebene lassen sich Bedürfnispaare identifizieren, die sich in gewisser Weise gegenüberstehen und meist nicht gleichzeitig erfüllt werden können. Ein simples Beispiel auf der physiologischen Ebene wären das Bedürfnis nach Entspannung, Ruhe und Schlaf und demgegenüber das Bedürfnis nach Stimulation, Bewegung und „Action“. Auch das beschriebene Bedürfnispaar nach Autonomie und Bindung fällt in diese Kategorie. Gerade bei dichotomen Bedürfnissen ist es wichtig, dass wir in uns hineinhören, welchen der beiden Pole wir selbst gerade bevorzugt brauchen. Das kann sich im Laufe eines Tages ändern sowie entsprechend unserer Stimmung oder auch über einen längeren Zeitraum hinweg. So herrscht in jüngerem Älter oft ein höheres Freiheitsbedürfnis vor, während sich unser Sicherheitsbedürfnis steigert, sobald wir eine eigene Familie gründen. Es ist daher wichtig, die verschiedenen Bedürfnispole zu kennen und sich an sich selbst zu orientieren, was Sie (gerade) brauchen – nicht an den Erwartungen oder Präferenzen anderer oder an situativen Umständen. Im Folgenden werden einige Bedürfnis-Dichotomien vorgestellt.
Sicherheit vs. Abwechslung
Diese beiden Bedürfnisse sind bereits in der Kindheit relevant und beide gleichermaßen wichtig – ein Kind muss sich sicher und geschützt fühlen, um auf dieser Basis seine Umgebung entdecken und erforschen zu können. Im Erwachsenenleben zeigen sich die Bedürfnisse beispielsweise daran, dass wir uns einerseits Arbeitsplatzsicherheit wünschen, vielleicht jedoch nicht in dem Maße, dass wir verbeamtet sein möchten. Im Laufe unseres Lebens oszillieren wir immer zwischen den beiden Polen Sicherheit und Abwechslung und brauchen etwas von beiden. Unser Bedürfnis nach Sicherheit zeigt sich oft in Form von Routine, Vorhersehbarkeit und Kontrolle. Wir möchten wissen, was uns erwartet und dass wir dem gewachsen sind. Das Bedürfnis nach Abwechslung lassen einige Menschen als Erwachsene zugunsten von Sicherheit etwas verkümmern, es ist jedoch bei jedem nach wie vor vorhanden.
Während wir alle beides brauchen, zeigt sich, dass verschiedene Typen eine unterschiedliche Präferenz für einen Pol aufweisen können. So gibt es sehr sicherheitsorientierte Menschen, für die jegliche Planabweichung ein Risiko darstellt, und auf der anderen Seite Personen, die bei einer Vielzahl von neuen Eindrücken aufblühen, weil sie etwa gerne Neues erfahren und lernen und es ihnen Freude bereitet, sich flexibel auf unerwartete Gegebenheiten einzustellen. Die unterschiedliche Neigung kann sich auch in einer Tendenz zu Intro- oder Extraversion äußern: Introvertierte Menschen brauchen in der Regel mehr Ruhe und sind leichter überreizt, während extravertierte Menschen gerne viel Stimulation und Input haben. Dies ist jedoch nicht genau gleichzusetzen mit den Polen Sicherheit vs. Abwechslung, da es auch nach innen gekehrte Menschen gibt, die sich beispielsweise geistig gerne mit einer Vielzahl verschiedener Themen befassen und gewissermaßen ein sehr „buntes“ Innenleben haben, genauso wie es etwa im sozialen Bereich sehr kontaktfreudige Menschen gibt, die gleichzeitig ein hohes Maß an Organisation und Planung oder eine Spezialisierung auf ein ihnen vertrautes Themenfeld bevorzugen.
Reflektieren Sie für sich, welches der beiden Bedürfnisse bei Ihnen wohl stärker ausgeprägt ist. Vielleicht können Sie diese Frage nicht allgemein beantworten, sondern finden auf verschiedene Bereiche bezogen andere Antworten, zum Beispiel „Mein sicherer Hafen ist meine Familie; dort ist mir Verlässlichkeit total wichtig. Gleichzeitig liebe ich Risikosportarten und Grenzerfahrungen im Freizeitbereich.“ o. ä. Wichtig ist, dass Sie nicht versuchen, Ihre natürliche Bedürfnistendenz zu überschreiben, sondern sich das Maß an Sicherheit bzw. Abwechslung nehmen, welches für Sie angemessen und erfüllend ist. So sollten Sie sich als sicherheitsorientierter Typus nicht dazu zwingen, in „riskanten“ Start-Ups zu arbeiten, und als abwechslungsbedürftige Person eher in einem kreativen Bereich arbeiten, als bürokratische Jobs mit viel Routine zu wählen. Balance können Sie auch durch den Ausgleich in verschiedenen Lebensbereichen herstellen, zum Beispiel wenn Sie als verbeamtete Lehrkraft jedes Jahr sechs Wochen lang heftige Wellen auf Hawaii surfen. Dafür müssen Sie wissen, in welchem Lebensbereich Ihnen eher Sicherheit oder eher Abwechslung wichtig ist – das kann ganz individuell variieren.
Bindung vs. Autonomie
Dieses Bedürfnispaar kann auch als Zugehörigkeit vs. Unabhängigkeit bzw. Individuation beschrieben werden. Der Mensch ist ein soziales Wesen und durch seine Evolution darauf geprägt, dass das Überleben innerhalb einer Gruppe einfacher ist. So erklärt sich unser Bedürfnis nach Bindung zu anderen. Während jeder Mensch dieses Bedürfnis kennt, ist es bei einigen Personen besonders stark ausgeprägt und äußert sich zum Beispiel darin, dass ihnen ein harmonischer Umgang mit anderen Menschen besonders wichtig ist und sie sich sehr für andere engagieren, um so ihre Zughörigkeit zur Gruppe zu sichern. Das Bedürfnis nach Bindung erklärt auch den Effekt des Agierens nach „sozialer Erwünschtheit“: Wir alle haben eine verinnerlichte Vorstellung davon, welche Verhaltensweisen in unserer Gesellschaft belohnt, geduldet oder geächtet werden. Aus Angst vor Ausgrenzung und Isolation richten einige Menschen ihr Verhalten stark danach aus, was sie als Normen und Werte ihrer Bezugsgruppe wahrnehmen, sprich was sozial erwünscht ist.
Das gegenteilige Bedürfnis stellt der Wunsch nach Autonomie und Unabhängigkeit dar. Auch dieses Bedürfnis ist wichtig für uns, da wir uns als eigene, selbstständige Menschen erfahren möchten und uns im Laufe unserer Kindheit bis ins Erwachsenenalter hinein von der Hilfestellung unserer Eltern und anderer Bezugspersonen emanzipieren wollen und müssen. Ohne das Bedürfnis nach Unabhängigkeit würden wir nie lernen, uns selbst die Schuhe zu binden, Auto zu fahren oder uns eigenständig einen Job zu suchen. Entsprechend ist es übrigens sinnvoll, wenn Sie als Eltern beide Bedürfnisse bei Ihren Kindern befriedigen und stärken, also einerseits dem Kind vermitteln, dass es auf bedingungslose Unterstützung und Hilfe bauen kann, wenn benötigt, und es andererseits dazu ermutigen, kleine Aufgaben alleine zu bewältigen und sich an Herausforderungen heranzuwagen.
Eine Form, in der sich die beiden dichotomen Bedürfnisse nach Bindung und Autonomie häufig äußern, ist der Nähe-Distanz-Konflikt: Dieser kommt oft in Paarbeziehungen zum Tragen, wenn es darum geht, wie viel bzw. wie intensiv Zeit als Paar gemeinsam verbracht werden soll und wie viele und welche Aktivitäten jede*r Partner*in für sich selbst verbringt. Wie bei allen Bedürfnissen können auch die nach Bindung bzw. Nähe und nach Autonomie bzw. Distanz bei verschiedenen Personen sehr unterschiedlich verteilt sein. Im genannten Beispiel eines Paares gilt es daher, sich über die eigene Bedürfnisverteilung bewusst zu werden und gemeinsam auszuhandeln, wie bei sehr unterschiedlich ausfallender Bedürfnislage Kompromisse gefunden werden können. Beispiel: Ein eher unabhängiger Typus kann mit dem Partner regelmäßig eingeplante „Me Time“ vereinbaren, in der er sich alleine eigenen Interessen widmen kann, und ebenso kann der nähebedürftigere Part seine Bedürfnisse dazu äußern, in welchen Situationen er sich Gemeinsamkeit wünscht, zum Beispiel „Mir ist eine gemeinsam gekochte und eingenommene Mahlzeit am Tag wichtig.“.
Nicht nur für Ihre Beziehung, sondern ganz allgemein sollten Sie sich auch hier klarmachen, in welche Richtung Sie tendieren. Achten Sie dann darauf, dass Sie Ihren Neigungen entsprechend leben, etwa als Zugehörigkeitstypus im Job verstärkt auf Teamarbeit, Kooperation und ein kommunikatives Umfeld setzen, während Ihnen als unabhängiger Mensch vielleicht Remote Work und freiberufliche Tätigkeiten zusagen. Das oben beschriebene Agieren nach sozialer Erwünschtheit als Folge eines sehr stark ausgeprägten Bedürfnisses nach Bindung führt im Bereich Karriere oft dazu, dass einige Menschen sich selbst boykottieren und nicht ihr volles Potenzial ausleben – aus Angst, aus der Bezugsgruppe zu fallen. Das kann sich zum Beispiel darin äußern, dass eigene berufliche Ideen nicht verfolgt werden, weil sie vom Umfeld abgelehnt werden, oder gar darin, dass man die Möglichkeit auf eine Führungsposition nicht wahrnimmt, weil „das gute Verhältnis mit dem Team“ darunter leiden könnte. Prüfen Sie also unbedingt, ob Ihr eigener Wunsch nach Bindung Ihrer – beruflichen oder privaten – Weiterentwicklung im Weg steht, und machen Sie sich bewusst, dass eine Balance wichtig ist. Sich selbst auszubremsen und übermäßig an die Vorstellungen anderer anzupassen, ist nicht unbedingt ein gesundes Bindungsverhalten. Arbeiten Sie in dem Fall daran, Ihre Autonomie zu stärken, zum Beispiel indem Sie trainieren, sich mit einem klaren „Nein“ abzugrenzen, Ihre Ansichten unabhängig von der Meinung anderer deutlich zu kommunizieren und persönliche Entscheidungen ohne die vorher eingeholte Zustimmung anderer zu treffen.
Arbeit vs. Spiel
Auch dieses Bedürfnispaar ist uns von Kindesbeinen an inhärent: Während in der Kindheit oft das Bedürfnis nach Spiel dominiert bzw. wir darüber auch vieles locker und ungezwungen lernen, kann beispielsweise der konzentrierte Versuch eines kleinen Kindes, die Teile eines groben Holzpuzzles richtig zuzuordnen als Erfüllung des Bedürfnisses nach Arbeit, also nach kontrollierter Leistungserbringung und Ordnung, betrachtet werden. Im Laufe unseres Lebens lernen wir, immer mehr Verantwortung zu übernehmen und Aufgaben entsprechend ihrer Anforderungen passgenau zu erfüllen. Auch das Arbeiten an sich im Sinne einer beruflichen Tätigkeit ist oft damit konnotiert, dass wir uns an Absprachen und Regeln halten und gezielte Leistung bringen. Dabei dient ein Job keineswegs lediglich dem Zweck, im Gegenzug Geld zum Leben zu erhalten, sondern spricht immer auch das Bedürfnis in uns an, gezielt etwas zu leisten und Ergebnisse zu produzieren.
In unserer recht arbeitsorientierten Kultur wird dem Bedürfnis nach Spiel, Spaß und Zerstreuung oft nicht genügend Raum gelassen und es gilt oft der Grundsatz „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“. Dabei wohnt das Bedürfnis nach Spiel auch jedem erwachsenen Menschen noch inne und sollte regelmäßig gehört werden. Seine Erfüllung dient uns zum einen dazu, uns zu erholen und Stress abzubauen. Gleichzeitig ist es eng verwandt mit Kreativität, die viel mit assoziativem, freiem Denken zu tun hat, welches nicht zu sehr reglementiert wird und oft besser in einem spielerischen Umfeld gelingt.
Um bei diesem Bedürfnispaar Ihren persönlichen „sweet spot“ zu finden, versuchen Sie herauszufinden, in welchem Verhältnis Arbeit und Spiel bei Ihnen stehen müssen, damit Sie einerseits produktiv sind und sich gleichzeitig wohlfühlen. Hier geht es weniger darum, sich selbst als Arbeits- oder Spieltypus zu definieren – schließlich ist für die meisten Menschen unabdingbar, dass Arbeit in irgendeiner Form geleistet werden muss. Achten Sie vielmehr darauf, wie sich die beiden Bereiche gegenseitig bedingen, hemmen oder beflügeln. Vielleicht sind Sie jemand, der seine „spielerische“ Freizeit nicht genießen kann, wenn noch nicht alle To-dos abgeschlossen sind. Oder aber Sie verlieren bei längeren Phasen konzentrierter Arbeit leicht Ihre Motivation, können dem jedoch vorbeugen, indem Sie zwischendurch Ihrem Spielbedürfnis nachgeben, zum Beispiel ein kreatives Brainstorming zwischen „trockeneren“ Arbeitsblöcken einplanen oder sich wenn nötig auch zehn Minuten lang mit einem Rätselheft oder Smartphone Game beschäftigen. Vielleicht stellen Sie tatsächlich fest, dass Sie nach einer solchen Pause wieder doppelt so schnell und konzentriert arbeiten können. Im besten Falle bieten Ihnen Ihre Lebensgestaltung und Ihre zu Ihren Bedürfnissen passende Jobwahl von vornherein eine Balance aus Arbeit und Spiel, die Ihnen entspricht.
Unter der Lupe: das Bedürfnis nach Wachstum
Abschließend verdient ein Bedürfnis, welches uns meistens nicht bewusst ist, besonderes Augenmerk: das nach Wachstum, also sich selbst weiterzuentwickeln, einen sinnvollen Beitrag zu etwas zu leisten und in irgendeiner Weise für jemanden oder etwas von Bedeutung zu sein. Im Gegensatz zu anderen Bedürfnissen empfinden wir diesen Wunsch im Alltag selten bewusst. Seine Erfüllung ist jedoch im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung das, was Menschen wirklich glücklich macht. Nehmen Sie sich immer mal wieder Zeit, um in sich hineinzuhören, was genau sich Ihr Bedürfnis nach Wachstum aktuell wünscht. Die Beantwortung der folgenden Fragen hilft Ihnen dabei:
- Was würde ich gerne noch lernen?
- Welchem Aspekt meiner Persönlichkeit bzw. meines Lebens möchte ich mehr Aufmerksamkeit und Energie widmen und ihn stärken?
- Welches positive Verhalten möchte ich mir aneignen, welche weniger gute Angewohnheit möchte ich mir abtrainieren?
- Was verstehe ich persönlich unter einem sinnvollen Leben?
- Wofür sollte sich meiner Meinung in unserer Welt vermehrt eingesetzt werden – und was kann ich dazu beitragen?
- Welche Werte sind mir in meinem momentanen Leben besonders wichtig und auf welche Weise kann ich ihnen Ausdruck verleihen?
- Wenn ich mich in meiner Freizeit nur noch mit einem Thema beschäftigen dürfte, welches wäre das? Was interessiert mich am allermeisten, und gebe ich diesem Interesse genügend Raum?
- Welche Art von Arbeit finde ich persönlich am sinnvollsten?
Ergänzen Sie gerne weitere Fragen und Gedanken und erarbeiten Sie sich so einen Plan, wie Sie Ihr Bedürfnis nach Wachstum stärker befriedigen können.
Fazit: Bedürfnisse situativ erfüllen
Das Bewusstsein darüber, welche verschiedenen menschlichen Bedürfnisse existieren, ist eine wichtige Basis. Entscheidend ist nun, dass Sie sich jeden Tag bewusst mit Ihrer inneren Stimme verbinden, die Ihnen verrät, welcher Wunsch gerade gehört werden möchte. Denn bei uns allen variiert es je nach Tages- oder Lebenssituation, was wir gerade am meisten brauchen. Stellen Sie sich täglich die Frage „Was brauche ich gerade?“, vor allem in Situationen, in denen Sie sich auf diffuse Weise unwohl fühlen und so merken, dass etwas nicht stimmt. In Bezug auf unsere physiologischen Begehren geschieht dies meist automatisch – wir bemerken schnell, wenn wir hungrig, durstig oder müde sind und handeln entsprechend. Doch gerade bei den „höheren“ Bedürfnissen ist uns nicht immer auf Anhieb bewusst, welcher Wunsch in uns gerade unerfüllt ist, und wir müssen zuweilen Detektivarbeit leisten, um den Grund aufzuspüren. Wer sich zum Beispiel in seinem Job „irgendwie unzufrieden“ fühlt, kann durch Reflexion auf ganz verschiedene Gründe und somit unerfüllte Bedürfnisse stoßen: Man fühlt sich unwohl an seinem Arbeitsplatz, der zu laut oder zu kalt ist (physiologische Bedürfnisse nach angenehmem Reizlevel sind nicht erfüllt). Man kommt mit den Kollegen nicht gut zurecht (das Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit leidet). Oder man hat das Gefühl, die Jobinhalte passen nicht zu den eigenen Stärken (das Wachstums- und Entfaltungsbedürfnis kommt nicht zur Geltung). Auf diese Weise können Sie sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich dem aktuellen Status Quo Ihrer unzureichend erfüllten Bedürfnisse auf die Spur kommen und gezielt Änderungen vornehmen. Fragen Sie sich dabei immer auch, in welchem Lebensbereich Sie welches Bedürfnis besonders gut ausleben können. So ist der Anspruch, im Job vor allem Ihr Spielbedürfnis befriedigen zu können, sicherlich unrealistisch, während Sie diesem in Ihrer Freizeit umso gezielter Ausdruck verleihen können.
22.11.2021