Eine Absage kann ein Startschuss sein
Bei einer Bewerbung gibt es auch Rückschläge. Das muss nicht schlecht sein. Wie man damit umgeht, verrät Karriereberaterin Ragnhild Struss.
Die Bewerbung ist der Einstieg in einen knallharten Wettbewerb, bei dem es immer nur einen Sieger geben kann. Wer eine Absage erhält, kann dennoch profitieren, meint Karriereberaterin Ragnhild Struss. Wenn man bereit ist, das bisherige Vorgehen kritisch zu überdenken, ohne sich entmutigen zu lassen.
Hamburger Abendblatt: Auch wenn es im Einzelfall schmerzt, frustriert, verärgert - im beruflichen Bewerbungsprozess ist die Absage immer noch der Regelfall. Wie geht man professionell damit um?
Ragnhild Struss: Mit Realitätssinn, Checklisten und einer guten Strategie. Jeder Bewerber hat es in der Hand, eine saubere, einwandfreie Bewerbung abzugeben, insofern als er sich kritisch reflektiert und alles unternimmt, um den Prozess positiv zu beeinflussen. Nach spätestens 20 Absagen hintereinander sollte man auch Hilfe von außen in Anspruch nehmen und Selbst- und Fremdbild miteinander vergleichen. Wo sehen Eltern, Freunde und Bekannte meine Stärken und wo ich selbst? Persönlichkeit, Berufswunsch und Bewerbung sollten kongruent sein - Authentizität ist das A und O bei der Bewerbung.
Hamburger Abendblatt: Haben Sie ein Beispiel?
Struss: Nehmen wir mal den Wirtschaftsingenieur, der sich erfolglos in der Prozesstechnik bewirbt. Die Analyse seiner Bewerbungsmappe ergibt, dass er diesen Bereich nie zuvor praktisch, sondern nur theoretisch durchlaufen hat. In diesem Fall sollte man die Unterlagen um eine Interessenserklärung erweitern. Dazu gehört die Bereitschaft, seine Eignung in einem Testverfahren oder Probearbeiten unter Beweis zu stellen.
Hamburger Abendblatt: Dennoch kommt die Absage direkt nach der Bewerbung: Soll man wirklich nachfragen, woran es lag?
Struss: Ja, denn man kann dabei nur gewinnen. Im schlechtesten Fall bekommt man eine Standardantwort. „Ein anderer Bewerber hat besser gepasst“ oder ähnlich. Wir kennen aber auch einige Fälle, bei denen die Bewerber konstruktive Tipps für die Gestaltung der Unterlagen und Anregungen für den weiteren Bewerbungsprozess erhielten.
Hamburger Abendblatt: In dem Standardschreiben steht aber der Satz „Von weiteren Anfragen bitten wir abzusehen“ ...
Struss: Dann sollte man sich daran halten und nicht nachfragen. Es kommt ja auch immer auf die Art der Stelle und das Unternehmen an. Wenn es sehr viele Bewerber gibt, schützen sich die Unternehmen schon mal vor Rückfragen.
Hamburger Abendblatt: Die Absage kommt nach dem Jobinterview: Wie reagiert man am besten?
Struss: Wer ein Interview im Unternehmen hatte, ist auf jeden Fall im Bewusstsein der Gesprächspartner verankert. Daher halte ich es für absolut sinnvoll, die Chance zu nutzen und nach Gründen für die Absage zu fragen. Ein ehrliches Feedback kostet die Unternehmen nur ein paar Minuten, hilft aber dem Bewerber enorm und langfristig auch den Unternehmen, mehr passgenaue Bewerber zu generieren.
Hamburger Abendblatt: Wie geht man dabei vor?
Struss: Man notiert sich die Namen der Interviewpartner und bittet in einer höflichen E-Mail um ein ehrliches Feedback: Nur wenn ich weiß, wie ich auf andere wirke oder was im Bewerbungsprozess schlecht gelaufen ist, habe ich die Chance, an mir zu arbeiten. Nach ein paar Tagen ruft man dann, wie in der Mail angekündigt, noch einmal persönlich an.
Hamburger Abendblatt: Soll man den Kontakt zum Unternehmen auch bei einer Absage halten?
Struss: Das ist nicht pauschal zu beantworten. Es kann sinnvoll sein, sich zu einem späteren Zeitpunkt und aus einer anderen Position heraus wieder in Erinnerung zu bringen. Es gibt aber auch Unternehmen, bei denen man nach einer Absage gelistet ist und definitiv keine zweite Chance bekommt.
Hamburger Abendblatt: Wie motiviert man sich nach Absagen erneut?
Struss: Ein paar Absagen zu erhalten ist üblich, niemand sollte deswegen an sich zweifeln. Schließlich spielen auch Glück und Zufall im Bewerbungsprozess eine Rolle. Was man tun kann: dem Zufall mehr Möglichkeiten geben, einen an der richtigen Stelle zu treffen. Etwa durch eine gute Karrierestrategie.
Hamburger Abendblatt: Sie haben Ihr Unternehmen direkt nach dem Studium gegründet. Heißt das, Sie haben persönlich keinerlei Erfahrung mit Absagen?
Struss: Natürlich gab und gibt es auch in meinem Lebenslauf Herausforderungen und Rückschläge. Wenn man sich direkt nach dem Studium selbstständig macht, erhält man auch während der eigentlichen Berufstätigkeit noch etliche Absagen. Um viele Dinge musste ich sehr kämpfen.
Mit freundlicher Genehmigung von Deike Uhtenwoldt