Academicworld | Mittwoch, 6. März 2013

Entspannt entscheiden

Wie, wo und was? Das ist hier die Frage! Wer die letzten Züge in der Schule vor sich hat, plant die ersten Schritte in eine neue Welt. Studium oder Lehre?

Was erwartet Papa von mir? Wie kann ich meiner großen Schwester das Wasser reichen? Oder: Was will ich eigentlich selbst am liebsten?   Bildungsexpertin Franziska Wille zeigt euch die drei klassischen Einstiegsvarianten auf und führt euch durch die Vorteile des dualen Studiums, der Ausbildung und des Studiums.

Sicher hat jeder schon länger Vorstellungen und Talente, die er umsetzen und fördern möchte. Gerade bei der sich schnell wandelnden Bildungsbranche mit immer neuen Programmen und Studiengängen, ist ein zweiter Blick vor der endgültigen Einschreibung wichtig.

Welche Persönlichkeitsmerkmale zeichnen mich aus? Welche Leistungen kann ich erbringen? Wir sprachen mit Ragnhild Struss, Gründerin und Inhaberin von "Karriereberatung Struss und Partner Karrierestrategien", und fragten: Wem empfehlen Sie eher eine Ausbildung, wem ein Studium? Gibt es noch klassische Charaktere und Muster für die jeweiligen Bildungswege?

„Pauschal lässt sich das nicht beantworten“, so Ragnhild Struss. „Allerdings ist vorab sicher eines wichtig: Die Entscheidung, ob wir zu einem Studium oder einer Ausbildung raten, machen wir als erstes vom Menschen abhängig und nicht von potenziellen Karriere- Erfolgsaussichten einzelner Berufsbilder.“ Dabei gäbe es keinen „klassischen“ Ausbildungs- oder Studiencharakter, viel eher spiele die Persönlichkeit, aber auch das intellektuelle Leistungspotenzial eine wichtige Rolle. „Ebenso die Frage, in welchem Rahmen der jeweilige Mensch sein Potenzial bestmöglich entfalten kann: eher im Rahmen einer praktischen Betätigung mit recht festgelegten Lernverläufen oder im Rahmen eines ‘freieren’ Studiums, in dem es um das Erlernen (theoretischen) Wissens geht. Auch beim Studium als solches gibt es große Unterschiede – wem wir BWL empfehlen, zu dem würde, einmal ganz grundsätzlich gesprochen, eine vorherige Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann besser passen als zu jemandem, dem wir ein geisteswissenschaftliches Studium empfehlen.“
 
Das duale Studium – Mix aus Theorie und Praxis
Also geht es zunächst einmal um das In-sich-hineinhören und Erkennen:  Was tue ich gern? Was macht mir Freude? Womit beschäftige ich mich und kann mir vorstellen, es nicht nur als Hobby zu sehen, sondern als tägliche Arbeit? Dabei sollte eine weitere Bildungsmöglichkeit unbedingt bedacht werden: das duale Studium. Für wen eignet sich diese Verbindung aus Praxis und Theorie? „Grundsätzlich passt ein duales Studium zu Menschen, die gut in einem praxisnahen, strukturierten Umfeld aufgehoben sind und hier ihr volles Potenzial entfalten können“, so Ragnhild Struss. „Wer sich für ein duales Studium entscheidet, muss dabei auch gut mit recht straffen Leistungsvorgaben klarkommen.“ Belastbarkeit ist ein großes Kriterium, denn hier laufen Studium und praktische Arbeit parallel! „Wo ein ‘normales’ Studium noch Freiräume bietet, ist bei einem dualen Studium Raum für die praktische Anwendung des Wissens“, erklärt Ragnhild Struss.
Insgesamt werden an Fachhochschulen, Berufsakademien oder auch sogenannten Dualen Hochschulen in Deutschland zurzeit 900 duale Studiengänge angeboten. Der Schwerpunkt liegt hauptsächlich in der Wirtschaft, der Technik und dem Sozialwesen. Ein duales Studium ermöglicht den Studenten, ihr theoretisch erlerntes Wissen direkt im Unternehmen einzubringen. Das bringt Vorteile für Studenten und Arbeitnehmer.
 
Studium + Job + Ausbildung = Berufsstudium
Eine weitere, ähnliche Form des praxisorientierten Lernens ist das Berufsstudium. Hier werden Studium und Praxisarbeit mit einer Ausbildung kombiniert. Innerhalb von vier Jahren erreicht man so drei Abschlüsse. Verschiedene Schwerpunkte gehen auf die Interessen ein, Officemanagement, Eventmanagement, Sport- und Fitnessmanagement und Gesundheitsmanagement werden angeboten.  
(Beispielsweise: www.iss-hamburg.de, Stichwort: Berufsstudium Dienstleistungsmanagement)
 
Bei all diesen Angeboten schwirren dem ein oder anderen oft viele Fragezeichen über dem Kopf herum und vielleicht will er/sie auch am liebsten nur wissen: Mit welchem Abschluss habe ich die besten Karriereperspektiven? Darauf kann Ragnhild Struss auch antworten, hat jedoch keine Pauschallösung:  „Diese Frage lässt sich in unseren Augen nur individuell beantworten, nicht generell und fachgebunden.  

Wer von seiner Persönlichkeit und seinen Potenzialen eher zu einer klassischen Hochschulkarriere mit Bachelor, Master, vielleicht Promotion oder Habilitation passt, für den ist ein duales Studium der verkehrte Weg. Für jemanden mit anderen Stärken, wie beispielsweise einer hohen praktischen Intelligenz, kann das ganz anders aussehen.“

Deshalb ist es besonders wichtig, sich nicht unbedingt von Trends leiten zu lassen. Wer denkt, Ausbildungen seien „nur“ für diejenigen ohne Hochschulzugangsberechtigung (was für ein Wort!), der irrt.  

Ausbildungen sind keinesfalls Auslaufmodelle und verzeichnen weiterhin guten Zulauf. Doch auch das „gängige“ Studium und das duale Studium stehen auf festem Boden. „So schnell bricht sicherlich keiner der Zweige ab, weder ein Studium noch ein duales Studium und auch nicht die Ausbildung als solche verlieren ihren Wert“, so Ragnhild Struss. „Diese drei Ausbildungsvarianten bieten vielmehr umfassende Möglichkeiten, auf sehr viele unterschiedliche Talente einzugehen, diese auszubilden und zu entwickeln. Der triale Ausbildungsmarkt erscheint uns doch bis auf weiteres etabliert; der ‘Wandel’ besteht dabei eher in inhaltlichen Änderungen wie beispielsweise einer zunehmenden Interdisziplinarität von Studiengängen, oder auch dem stärkeren Fokus auf eine internationale Ausrichtung.“

Schenkt man Umfragen Glauben, dann befinden wir uns jedoch auch hier schon wieder mitten in einem Prozess: weg vom ständigen Länder- und Städtehopping, hin zu einem gesicherten Heim in einer bestimmten Stadt. So wünscht sich es zumindest ein großer Prozentsatz der Generation Y.

Während bisher Einsätze in internationalen Zweigstellen oder an Partnerhochschulen die Attraktivität von Bildungsmöglichkeiten erhöhten, stehen nun eher andere Dinge im Fokus: freies und selbstständiges Arbeiten, flexible Arbeitszeiten, Sicherheiten, offenes Wissensmanagement, flache Organisationen, gelebte Work-Life- Balance, Feedback-Kultur, Vertrauen, Verantwortung, Spannung, Inhalte, Führungsperspektiven – jedoch ohne Chef sein zu wollen. Die Karriere als Selbstzweck hat ausgedient – was an sich eine exzellente Basis für eine vernünftige Entscheidung ist.

Jede der drei Ausbildungsmöglichkeiten ist eine solide Investition in die Zukunft
Also, Lehre, Studium, Duales Studium – was soll es sein? Ein breites Angebot von Möglichkeiten steht bereit, besonders private Anbieter sind auf dem Vormarsch. „Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beispielsweise führte Ende 2012 an, dass im Jahr 2011 die Steigerungsrate von dualen Studiengängen im Jahr 2011 rund 20 Prozent betrug, auch die Zahl der Kooperationen von Unternehmen, die gemeinsam mit einer Hochschule duale Studienplätze anbieten, stieg um 46 Prozent“, so Ragnhild Struss.

Da die Hochschulen sich immer mehr spezialisieren, streben auch noch so kleine Studiengänge nach staatlicher Anerkennung und Akkreditierung, wodurch heute jede denkbare Fachrichtung am Ende einen ordentlichen Stempel bekommen kann. „Duale Studiengänge genießen dabei übrigens ein zunehmend gutes Ansehen – und erfreuliche Berufsaussichten“, sagt Ragnhild Struss weiter. „In einer weiteren BIBB-Umfrage haben 45 Prozent der ausbildenden Unternehmen angegeben, alle dual Studierenden nach Abschluss des Studiums zu übernehmen. Weitere 27 Prozent übernehmen drei Viertel der Ausgebildeten. Dazu kommt: Rund 97 Prozent der befragten 1400 Unternehmen sind ‘zufrieden’ oder sogar ‘sehr zufrieden’ mit dieser Art der Qualifizierung ihres Fachkräftenachwuchses.“

Nun denn: Die Entscheidung liegt bei euch! Also los geht’s!

Mit freundlicher Genehmigung von Franziska Wille